Deborah Düring MdB
18.01.2023

Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, wir haben hier über diverse wortgleiche Anträge schon zigmal diskutiert, wir haben es schon tausendmal erklärt, und irgendwie scheint es einfach nicht hängen zu bleiben. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. Auch ich probiere es noch mal – wir sagen es vielleicht auch noch ein sechstes, ein siebtes und ein achtes Mal –:

Erstens. Die klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit China wurde im Jahr 2009 beendet. Die klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zwischen Staaten wurde hier beendet. Sie können jetzt noch fünfmal das Gegenteil behaupten, aber es ist so.

Zweitens. Seit 2010 werden nur noch Kredite vergeben, die nicht aus dem Bundeshaushalt stammen.

Und drittens – und da hören Sie jetzt mal zu mit Ihren 70 Projekten! –: Die noch bestehende Zusammenarbeit beschränkt sich vor allem auf den Klima- und Biodiversitätsschutz.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Noch! – Weiterer Zuruf von der AfD: Aha!)

Natürlich müssen wir mit China in irgendeiner Art und Weise zusammenarbeiten, wenn wir das 1,5‑Grad-Ziel einhalten wollen. Das ist nun mal so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Also doch! – Gegenruf des Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören, nicht brüllen!)

Zu suggerieren, dass die Bundesrepublik dem wirtschaftlichen Rivalen China Entwicklungsgelder in den Rachen wirft, ist populistisch und – zum zehnten Mal – immer noch falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Also doch falsch? Was denn nun?)

Aber Ihre Sicht wundert mich, ehrlich gesagt, nicht. Denn in Ihrem Antrag haben Sie gar nicht so viel über China geschrieben, aber dafür haben Sie dort viele komische Dinge reingeschrieben und unter anderem sehr klar gemacht, was eigentlich Ihre Sicht auf die Entwicklungszusammenarbeit ist. Ich habe mir den Punkt 14 markiert. Für Sie ist die Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit: Migrationsverhinderung und Ressourcensicherung.

(Enrico Komning [AfD]: Gute Idee!)

Nicht Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ist – und jetzt hören Sie mal gut zu! – die Förderung klima-, umwelt-, sozial- und ausbildungspolitischer Maßnahmen in diesen Staaten. – Sie wollen also eine Entwicklungszusammenarbeit, die in Ihren Augen nur den deutschen Interessen dient, bei der das Recht des Stärkeren gilt und bei der jedes Land nur für sich selber kämpft.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Bernd Schattner [AfD]: Wir sind ja auch deutsche Politiker! – Enrico Komning [AfD]: Genau so ist es!)

Ich hätte ja eigentlich wissen müssen, dass Sie an der Lösung von globalen Problemen, die wir nur gemeinsam lösen können, wie zum Beispiel der Klimakrise, eher weniger interessiert sind, weil ja auch nicht alle in Ihrer Fraktion an den menschengemachten Klimawandel glauben.

(Enrico Komning [AfD]: Lassen Sie uns doch Geld von China nehmen! Die können uns doch was geben!)

Aber zum Glück sind Sie ja nur eine kleine Minderheit hier.

(Enrico Komning [AfD]: Ja, bald nicht mehr!)

Der Großteil dieses Parlaments glaubt an den menschengemachten Klimawandel und vor allen Dingen daran, dass die Basis unserer Arbeit die Menschenrechte sind, dass wir eine wertegeleitete Entwicklungspolitik wollen, dass wir für globale Gerechtigkeit kämpfen und dass wir die Verantwortung für die Probleme, die wir selbst geschaffen haben, übernehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Enrico Komning [AfD]: Sie wollen die Welt retten, genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür müssen wir ein verlässlicher und glaubwürdiger Partner sein und die Bedürfnisse der Menschen im Globalen Süden ernst nehmen. Verlässlichkeit bedeutet auch, dass wir solidarisch an der Seite der Länder des Globalen Südens stehen, gerade in schwierigen Zeiten. Sie bedeutet auch, dass wir Verantwortung für die Folgen unseres viel zu hohen Ressourcenverbrauchs oder der durch den Kolonialismus geschaffenen Abhängigkeitsstrukturen übernehmen.

(Enrico Komning [AfD]: Und was hat das mit China zu tun?)

Und da Sie in Ihrem Papier Pakistan erwähnen als ein Land, das angeblich genügend Geld hat, um sich selber zu helfen: Ich helfe Ihnen mal ein bisschen bei der Wahrheit. Pakistan wird in den nächsten drei Jahren etwa 70 Milliarden Dollar Schulden zurückzahlen müssen. 70 Milliarden! Das Land, das zusätzlich 2022 eine Flutkatastrophe mit Schäden von bis zu 40 Milliarden Dollar erlitten hat, wird diese Schulden nicht zurückzahlen können.

(Zurufe von der AfD – Gegenruf des Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unerhört!)

Das heißt, es wird sich neu verschulden müssen, um die alten Schulden zu tilgen, womit die Schuldenlast noch viel größer wird.

(Enrico Komning [AfD]: Und was geht uns das an?)

Pakistan ist leider nicht das einzige Land, in dem das so ist, sondern es geht noch ganz vielen anderen Ländern so.

(Enrico Komning [AfD]: Den allen müssen wir helfen!)

Wir haben eine massive Verschuldungskrise.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Darum Schuldenschnitt, ne?)

135 von 148 Ländern des Globalen Südens sind kritisch verschuldet. Diese fortschreitende Verschuldung steht dem entgegen, wofür wir hier jeden Tag kämpfen. Sie steht dem entgegen, dass diese Länder selber die Möglichkeiten haben, Armut zu bekämpfen, dass Sie selber die Möglichkeiten haben, ein Bildungssystem aufzubauen, Klimaschutz zu betreiben. Denn wir wissen, dass die Folgen der Klimakrise gerade diese Länder noch mal viel extremer treffen werden. Wir können nicht erwarten, dass diese Länder das alles alleine stemmen; denn wir haben es auch mit zu verantworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir da ran.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns zeigen, dass wir verlässliche Partner sind: auf der einen Seite durch die langfristige Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit, die stabil und den globalen Krisen entsprechend angepasst ist, und auf der anderen Seite aber auch dadurch, dass wir klarmachen, dass wir die Länder mit der Entschuldung nicht alleine lassen, dass wir an ihrer Seite stehen, dass wir dafür kämpfen, dass es einen Schuldenerlass gibt und endlich auch ein kodifiziertes Staateninsolvenzverfahren.

Ein letzter Punkt. Lassen Sie uns nicht nur zeigen, dass wir verlässlich sind, sondern auch, dass wir glaubwürdig sind. Ein glaubwürdiger Partner bei der Bewältigung globaler Herausforderung zu sein, bedeutet auch, dass wir uns aktiv mit unserer Gewaltgeschichte beschäftigen, anstatt sie permanent auszublenden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dafür ist eine feministische und dekoloniale Entwicklungszusammenarbeit ein unerlässlicher Bestandteil. Ich freue mich darauf, mit den demokratischen Teilen dieses Hauses daran weiterzuarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Nicolas Zippelius [CDU/CSU])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Möhring, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)