Rede von Anja Liebert Zu Protokoll: Clubs und Festivals

19.10.2023

Anja Liebert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das gesamte lokale Musik- und Kulturangebot trägt in hohem Maß zur Entwicklung und Attraktivität von Städten und Regionen bei. Insbesondere kleinere Kultureinrichtungen wie Klubs und Livespielstätten leisten dafür einen ganz wesentlichen Beitrag. Die Stärke und Toleranz einer Gesellschaft zeigt sich auch darin, inwieweit sie Subkulturen und Minderheiten schützt und Freiräume für diverse Ausdrucksformen von Kunst und Kultur fördert.

Für uns Grüne gilt das Leitbild: Städte sind Orte der Vielfalt, Kreativität und Solidarität. Wir wollen lebendige Quartiere mit einer vielfältigen Nutzungsdurchmischung, in denen Arbeiten, Wohnen, Erholung im öffentlichen Raum, Kultur- und Freizeitangebote und Gemeinschaft in allen Lebensphasen unmittelbar miteinander im Quartier stattfinden können.

Nicht nur durch die Coronakrise waren Klubs, Livespielstätten und Festivals in ihrer Existenz gefährdet und drohten teilweise dauerhaft zu verschwinden. Steigende Mietpreise in den Innenstädten, Wohnverdichtung und Gentrifizierung betreffen nicht nur Mieter/-innen, sondern zunehmend auch Klubs und Livespielstätten. Klubs erfüllen für viele Menschen das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Zugehörigkeit und kreativem Ausdruck. Ich sehe es daher unbedingt auch als Aufgabe des Staates an, diese kulturelle Vielfalt zu erhalten und zu fördern.

Hinzu kommt: Kunst, Kultur und Kreativität sind Standortfaktoren im internationalen Vergleich und im Wettbewerb um kluge und kreative Köpfe. Die Kultur- und Kreativwirtschaft schafft Arbeitsplätze und ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit hoher Wertschöpfung.

Viele Gründe sind also dafür verantwortlich, dass die Aufwertung und der besondere Schutz von Klubs und Livespielstätten in Form konkreter Maßnahmen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir erkennen für Clubs und Livemusikspielstätten ihren kulturellen Bezug an.“ – „Clubs und Livemusikstätten sind Kulturorte.“

Aus dem Bundesbauministerium wurde uns klar vermittelt, dass zusammen mit einer großen Novelle zum Baugesetzbuch auch für die BauNVO im Sinne der Klubs und Livespielstätten in den kommenden Monaten ein Änderungsvorschlag in das parlamentarische Verfahren gehen wird. Kulturorte, bei denen das noch nicht der Fall ist, wie Klubs und Livespielstätten, sollen auch baurechtlich als Orte mit einem kulturellen Zweck anerkannt werden. Die Neugründung von Klubs und die Ausrichtung von Festivals dürfen nicht am Baurecht scheitern. Gleiches gilt für die TA Lärm: In einer Experimentierklausel zum Lärmschutz wollen wir die Immissionsrichtwerte so anpassen, dass insbesondere im Fall heranrückender Wohnbebauung Klubs und Livespielstätten besser und effektiver vor Verdrängung geschützt werden. Die Ampel wird Wort halten und die Maßnahmen schon bald umsetzen.

Wir als Gesetzgeber müssen hier mit Augenmaß vorgehen und sowohl das berechtigte Interesse der Bewohner/-innen am Schutz vor Lärmbelastung und an der Nachtruhe berücksichtigen als auch den Bestandsschutz der Klubs und Livespielstätten, damit auch das Leitbild der nutzungsdurchmischten Stadt, stärken und beides in Einklang bringen. Dieser Zielkonflikt ist keineswegs trivial, sodass wir uns ausreichend Zeit nehmen müssen, eine Lösung zu finden, die rechtssicher und verhältnismäßig im Sinne aller Interessengruppen ist.

Die Klubszene ist sehr vielfältig: Es gibt viele kleine Nachwuchs- und Konzertbühnen, Jazzkeller und vieles mehr mit deutlich weniger Konfliktpotenzial als etwa große Technoklubs. Gerade mit Instrumenten wie einem Bundesschallschutzfonds, der ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart ist, schaffen wir es, das rücksichtsvolle Nebeneinander von Kultur und Wohnen in den Städten auch durch verantwortungsvolles Verhalten und Investitionen in den Schallschutz zu ermöglichen.

Der Bund kann den Rahmen setzen und für rechtssicheren Entscheidungsspielraum in den Kommunen unter Beibehaltung der kommunalen Selbstverwaltung und Planungshoheit sorgen. Am Ende muss allerdings die Kommune den Einzelfall abwägen und entscheiden. Die Kommune hat schon heute viel Gestaltungsspielraum, den manche gut und manche eben weniger gut im Sinne der Klubs und Livespielstätten nutzen.

Das gilt im Übrigen auch für die Länder, von denen einige Förderprogramme für Schallschutzmaßnahmen in Klubs und Musikspielstätten aufgelegt haben. Der Bund sollte hier meiner Meinung nach schauen, was gut lief, und auch auf Bundesebene entsprechend unterstützen. Hier bietet sich eine Kombination aus energetischer Sanierung und Schallschutzmaßnahmen an. Im kulturpolitischen Spitzengespräch von Bund, Ländern und Kommunen wurde erst in diesem Monat ein gemeinsamer CO2-Bilanzierungsstandard für den Kulturbereich, der CO2-Kulturstandard, verabschiedet. Mit dem Leitfaden „Green Culture“ wurde eine praktische Anleitung zu betriebsökologischen Maßnahmen in Kultureinrichtungen erarbeitet, den ich hier ausdrücklich empfehlen möchte.

Die Ampel hat bereits jetzt viel Unterstützung für Klubs und Festivals auf den Weg gebracht: mit dem Festival-Förderfonds, der in dieser Woche im Kulturausschuss vorgestellt wurde. Darüber hinaus wird mit dem neuen „Live 500“-Programm der Initiative Musik die ganze Breite der Szene unterstützt. Mit „Neustart Kultur“ hat die Bundesregierung im Sommer 2020 ein Rettungs- und Zukunftsprogramm in Höhe von 1 Milliarde Euro aufgelegt, um den Kulturbetrieb und die kulturelle Infrastruktur dauerhaft zu erhalten.

Wir Grüne stehen in der Koalition dafür ein, dass Kultur in all ihren vielfältigen Ausdrucksformen weiter einen hohen Stellenwert hat und die Unterstützung erfährt, die sie verdient.