Tobias B. Bacherle MdB
28.09.2023

Tobias B. Bacherle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zum Glück kein Bericht, sondern eine Strategie; denn diese Bundesregierung blickt lieber nach vorne und überlegt sich, was in Zukunft vor allem bei der Datennutzung und beim Datenteilen in Deutschland und auch in Europa besser werden kann. Europa gibt da eine sehr, sehr gute Linie vor mit einer schönen Prämisse, nämlich: Selbstbestimmung muss im Mittelpunkt stehen. Und wie wir das jetzt umsetzen sollen, das hat die Bundesregierung sehr schön unter dem Motto „Fortschritt für alle“ aufgeschrieben, und das fasst unsere Ansprüche an eine gute Datenpolitik sehr gut zusammen.

Datenbasierte Innovation kann nicht nur zu guter KI führen oder ressourcenschonende Ansätze stärken, sondern es kann uns am Ende auch faktenbasierte Entscheidungen erleichtern. Wenn es heißt: „Fortschritt für alle“, dann sind wir uns wahrscheinlich fast alle über den Fortschrittsteil sehr einig. Ich möchte aber noch mal auf den „Für alle“-Teil eingehen. Wenn ich mich hier umgucke – nein, ganz so weit will ich gar nicht gucken –

(Beatrix von Storch [AfD]: Wirklich sehr witzig!)

und zum Beispiel fragen würde: „Auf welcher sozialen Plattform haben Sie sich/habt ihr euch denn das erste Mal angemeldet?“, dann würden viele von Ihnen und von euch antworten: Twitter, Facebook,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: SchülerVZ!)

schülerVZ bei einigen noch oder meinetwegen auch MySpace.

Wenn wir uns jetzt überlegen, wo gerade eigentlich das größte Problem zum Beispiel mit Desinformationskampagnen besteht – und alle von uns kennen irgendwie MySpace oder Facebook –, dann würden wir auf dieser Basis keine zeitgemäßen Antworten finden können. Die Gen Z, die jungen Leute, die sich heutzutage als Erstes auf Instagram, wenn nicht sogar auf TikTok anmelden würden, leben ja in einer Welt, die videobasiert ist und nicht mehr text- und bildbasiert. Würden wir also davon ausgehen, was hier in diesem altersmäßig etwas gebiasten Raum bei dieser Umfrage herauskommen würde, würden wir eine wichtige und teilweise auch sehr stark betroffene Bevölkerungsgruppe vergessen. Deswegen braucht es gute Datenqualität. Die muss stimmen. Und um die zu erkennen, braucht es eine gute und einheitliche Aufbereitung von Daten, um eben einen Bias, also Verzerrungen in den Daten, entweder erst gar nicht vorkommen zu lassen oder, wenn sie da sind, sie zu sehen und dann gegebenenfalls gegensteuern zu können.

Damit das aber möglich ist, müssen wir auch bei uns anfangen. Das Recht auf Open Data müssen wir sehr, sehr klar und deutlich stärken. Manchmal sucht man Verkehrs- oder Wasserstandsdaten, manchmal auch Wahlergebnisse. Ich habe mich kürzlich mit einem Start-up unterhalten, und die arbeiten daran, Empfehlungen zu geben, wie man das Wassermanagement in Kommunen und in den Ländern und Regionen verbessern kann. Die haben erzählt, dass sie sich an die einzelnen Behörden wenden und dort ein Sammelsurium an Feedback bekommen. Manchmal kriegen sie richtig gut aufbereitete Daten, maschinenlesbar, klar sortiert, manchmal sogar auch gleich sortiert. Manchmal bekommen sie die Daten zwar auch gut sortiert, aber ganz anders. Wiederum andere Behörden schicken ein PDF, das gar nicht richtig maschinenlesbar ist. Wieder andere Behörden sagen: Eigentlich haben wir gar keine Lust, diese Daten zu teilen. Warum eigentlich? Was wollt ihr damit? – Da müssen auch wir als Politik und als Staat verstehen: Das Datenteilen kann uns alle weiterbringen. Das ist eine Empfehlung, die wir dann auch an die Wirtschaft weitergeben können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die Europäische Union – ich habe es schon gesagt – gibt da eine sehr schöne Prämisse aus, nämlich, sofern das möglich ist, Selbstbestimmung über die Daten, die wir als Individuen, als einzelne, als Nutzende erzeugen. Diese Prämisse der Datensouveränität zusammen mit Transparenz findet sich nicht nur in der Strategie wieder, sondern sollte auch unbedingt die Leitlinie für unsere Datenpolitik sein. Der Data Act regelt das sehr schön für Maschinendaten. Aber auch die DSGVO lässt eigentlich eine informierte Zustimmung zur Datenweitergabe und Datenverwertung zu, nur, sehr oft fühlt sich niemand in Deutschland dafür zuständig. Da gibt es zum Glück eine Lösung: die Datentreuhänder. Aber die müssen wir jetzt auch auf den Weg bringen. Es braucht einen Mittelsmann, einen Vermittler, dem ich anvertrauen kann, wie ich meine Daten behandelt wissen möchte, was mit ihnen passieren kann. Der würde sich dann in dem teilweise wirklich großen Wirrwarr an Möglichkeiten für mich umschauen und mich informieren: Okay, ihr habt gesagt, diese Daten – personenbezogen, vielleicht sogar medizinische Daten, sehr, sehr heikle private Daten – dürfen anonymisiert und aggregiert für universitäre Forschung genutzt werden. Punkt. Dann können sie für diesen Zweck auch weitergegeben werden. Diese Mittelsmänner jetzt zu stärken, ist ein ganz wichtiger Teil in der Datenstrategie.

Auf der anderen Seite – ich hatte es gesagt – ist Transparenz elementar. Da gibt es das Konzept von Datenschutzcockpits, also die Idee, dass ich sehen kann, wer auf meine Daten zugegriffen hat.

Also, es gibt viel zu tun. Viele sagen auch, es fehle ihnen an Wissen. Viele Firmen, viele Menschen in der Zivilgesellschaft, aber vor allem auch in der Wissenschaft wissen nicht, welche Möglichkeiten es eigentlich gibt, welche Regeln es gibt und welche Lösungen es dafür gibt. Deswegen bringen wir das Dateninstitut auf den Weg, das Best-Practice-Beispiele aufzeigen wird. Es wird uns begleiten und uns zeigen: Was kann man davon lernen? Was kann man skalieren? Was kann man sich davon abschauen, und was kann man in die Breite bringen?

Einen letzten Satz möchte ich aber noch sagen. So gut es ist, dass wir uns auf den Weg zu einer selbstbestimmten, fairen und datenschutzkonformen Datenpolitik mit dem Datenteilen machen, so klar ist aber auch: Der Zeitplan, der hier vorgelegt worden ist, lässt wirklich keine Hiccups mehr zu. Deswegen freue ich mich, wenn wir sehr, sehr motiviert, –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Tobias B. Bacherle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– aber auch unter Zeitdruck starten, diesen umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Anke Domscheit-Berg.

(Beifall bei der LINKEN)