Tobias B. Bacherle MdB
31.03.2023

Tobias B. Bacherle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon viel dazu gehört, wie komplex dieses Thema ist. Ich will einen Versuch wagen, es mal ein bisschen plastischer darzustellen. Wer sich heutzutage ein Fahrrad kauft, der kann damit machen, was er will.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Nee, nee, nee! Er konnte gestern nicht vorm Reichstag damit fahren!)

Er kann es umbauen, er kann den bisherigen Dynamo nutzen, um eine neue Lichtanlage zu installieren. Und wenn er irgendwie ein Rad übrig hat, dann kann er damit auch machen, was er will: es wegschmeißen, recyceln oder es als Fahrradliebhaber als Deko an die Wand hängen.

Wandelt sich dieses physische Produkt, also das Fahrrad, in ein vernetztes E-Bike mit Bordcomputer etc., dann kommen Daten ins Spiel. Diese sind viel mehr als ein Abfallprodukt, das man upcyceln muss. Sie bergen enormes Potenzial, bergen enormes Wissen und sind am Ende Grundlage für viele digitale Innovationen. Dennoch bereitet die Kombination aus greifbarem Produkt und digitaler Komponente in Recht und Gesetzgebung seit Jahren Kopfzerbrechen.

Es ist mit Blick darauf, wie viel in unserem Leben bisher digitalisiert ist, eigentlich unglaublich, dass der Data Act erst jetzt kommt. Endlich einigt sich die Europäische Union auf Grundbegriffe und Rollen beim Austausch und Teilen von Daten. Damit füllt die EU eine klaffende Regelungslücke; denn gerade nichtpersonenbezogene Daten waren bislang trotz ihres enormen Werts für Gesellschaft und Nutzende mehr oder weniger Freiwild. Im Umgang mit diesen nichtpersonenbezogenen Daten gilt nämlich bislang eigentlich die Macht des Stärkeren. Es herrscht ein absoluter Wildwuchs, mal in Verträgen geregelt, es setzt sich das durch, was eben ist.

Im aktuellen Produktdesign steht deswegen oft die Maxime im Vordergrund, Produkte so zu bauen, dass die Daten über den Rückkanal nur an die Produkthersteller fließen, aber nicht ohne Weiteres an die Nutzenden und die Eigentümer der Geräte. So kommt es zu dem absurden Ergebnis, dass mein E-Bike-Hersteller am Ende mehr über mein Nutzerverhalten oder die Performance des Akkus weiß als ich oder eine freie Werkstatt, der ich das E-Bike vielleicht zur Reparatur geben möchte. Durch kluges, aber auch ein bisschen unfaires Produktdesign kann sich der Hersteller so die komplette Wertschöpfungskette sichern. Die passende App, Reparaturersatzteile und die Datenverarbeitung: Im Zweifel gibt es das alles nur vom Hersteller. Das kann noch nicht die Industrie 4.0 sein, die wir wollen. Wir brauchen doch Transparenz, Selbstbestimmung und Modularität. Nur so werden wir zum digitalen Land der Tüftlerinnen und Tüftler.

(Zurufe von der AfD)

Was mich ein bisschen irritiert, ist: Alle, die sonst den Datenschutz und diese Unübersichtlichkeit als Hemmschuh kritisieren, müssten dem Data Act jetzt eigentlich zujubeln; denn er schafft endlich diese klaren Grundregeln für den Austausch, das Nutzen und das Teilen von Daten. Aber ebenjene, die sonst von Datenökonomie schwärmen, haben jetzt gemerkt, dass es da ja auch um ihre Daten geht, und rufen nach ausschweifendem Geschäftsgeheimnisschutz. Das mag auf den ersten Blick vielleicht verständlich klingen, und man muss es auch miteinbeziehen. Man darf es aber nicht mit einer unklaren Position der Bundesregierung verwechseln, die – im Gegenteil – klar für die grundlegende Prämisse einsteht, dass Nutzende Zugriff auf ihre Daten und ein Mitspracherecht bei ihren Daten haben und dass das nicht infrage gestellt wird. Dieser Prämisse wünsche ich im Trilog auch weiterhin viel Erfolg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Bacherle. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Anke Domscheit-Berg, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)