Rede von Erhard Grundl Deutsche Sprache

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14.01.2021

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wen wundert’s: Die AfD verkündet wieder einmal den Niedergang der deutschen Sprache.

Das Beispiel: „ich“ oder „isch“. Das komplementär distribuierte Allophon „ch“ im Wort „ich“ steht ganz oben auf der Liste der bedrohten Elemente der deutschen Sprache. Im Gegensatz dazu sei das breit angewandte „sch“, also das „isch“, eine schwere Bedrohung, und diese Bedrohung – Sie ahnen es natürlich schon – geht von den Migranten und Deutschtürken aus, die eben angeblich alle lieber „isch“ statt „ich“ sagen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Unsinn! Das sind die deutschen Kinder, die auch schon so sprechen!)

Nun, ich sage Ihnen: Ohne das „isch“ wäre unsere wunderbare gesprochene deutsche Sprache so arm wie Ihre Vorstellungskraft.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Nehmen Sie bloß mal Hape Kerkeling und seinen Horst Schlämmer und seinen gerade für uns alle immer aktuellen Evergreen „Isch kandidiere!“.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie sich aufmerksam die Bläck Fööss oder die Höhner an. Das ist deutsches Kulturgut. Und wenn Ihnen die Bläck Fööss oder die Höhner zu hip sind, dann versuchen Sie es mit Willy Millowitsch oder Heinz Schenk. Da werden Sie viele „ischs“ finden.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Und hatten Sie nicht gerade noch Luther zitiert, der bekanntlich dem Volk aufs Maul schaute? Ich sage Ihnen aus vollem Herzen und als Niederbayer: Es lebe das „isch“!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Und wir werden es mit Verve gegen Ihre Versuche, es auszumerzen, verteidigen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Und noch einen Schönheitsmakel machen Sie aus: die gendergerechte Sprache. Da hätte ich tatsächlich einen Kompromissvorschlag: Lassen Sie uns das generische Femininum verwenden – 2 000 Jahre. Dann könnten wir Männer uns immer hübsch mitgedacht fühlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im zweiten Antrag entdecken die Urheberinnen der Unwörter der letzten Jahre, die Advokatinnen der nationalen Einfalt, die Antieuropäerinnen von rechts außen, da entdecken sie dann anscheinend urplötzlich die Vorzüge der europäischen Vielfalt, wenigstens der Sprachenvielfalt. Und die sieht so aus: dass mehr Deutsch gesprochen werden soll, am besten von allen.

Andererseits wollen die Kolleginnen hier im toten rechten Winkel die deutsche Sprache zu ihrer Rettung paradoxerweise verzwergen. „Klein, aber mein“ ist die Devise.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Seit 2017 fordern sie nämlich ununterbrochen, der Bundestag solle der Deutschen Welle signifikant Gelder streichen, also ausgerechnet der Institution, die die deutsche Sprache in die Welt trägt.

(Volker Münz [AfD]: Die senden doch auf Englisch!)

Was Sie hier aufführen, ist, freundlich gesagt, verschwurbelt. Einzig und allein Ihr tumber nationalistischer Subtext ist allgegenwärtig und sonnenklar.

Tatsache ist: Deutsch ist eine gefragte Sprache in der Welt, in der Kunst, der Wissenschaft, im Journalismus, in der Politik. 2020 lernten weltweit mehr als 15,4 Millionen Menschen Deutsch. Tatsache ist auch, dass in Wissenschaftsbereichen, etwa der Bildungsforschung, die Zahlen der deutschsprachigen Publikationen konstant sind. Der Anstieg englischsprachiger Publikationen deutscher Autorinnen und Autoren scheint das Resultat des erfolgreichen Bemühens zu sein, in internationalen Zeitschriften zu publizieren, so der Monitoring-Bericht des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kollege Grundl.

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Mit anderen Worten: Junge deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen da an, wo sie hinwollen: in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft – und das ist eine gute Botschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dass Sie diese Botschaft nicht hören wollen, ist mir klar.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Bei Ihrer Bagage isch einfach Hopfen und Malz verloren.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herzlichen Dank, Herr Kollege Grundl. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Groden-Kranich, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)