Rede von Boris Mijatović Deutsches Institut für Menschenrechte

Boris	Mijatovic
22.06.2023

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nie zu spät, um über Menschenrechte zu reden, und es gibt dafür auch keinen falschen Ort. Ich lade Sie ein: Lassen Sie uns einen Blick auf die Menschenrechtslage in Deutschland werfen.

Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen. Mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Betroffenen sind nötig, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Umsetzung der Istanbul-Konvention. Zu diesem Zweck hat das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Berichterstattungsstelle für geschlechtsspezifische Gewalt eingerichtet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

– Hören Sie mir erst mal zu, bevor Sie blöken!

Meine Damen und Herren, blicken wir auf ein weiteres Thema: inklusive Schulbildung. In Deutschland gibt es immer noch viel zu viele Förderschulen. Dabei sollten Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zusammen lernen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Daher fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte seit Jahren eine Grundgesetzänderung: Der Bund sollte eine ergänzende Zuständigkeit für bestimmte Elemente eines inklusiven Schulsystems erhalten.

(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich nenne Ihnen einen dritten Punkt. Rassistische und antisemitische Straftaten werden in Deutschland nicht konsequent genug verfolgt.

(Stephan Brandner [AfD]: Fragen Sie mal Claudia Roth zum Antisemitismus!)

Was muss sich ändern, um diesen besorgniserregenden Zustand zu verändern? Herr Brandner, was muss sich ändern? Wie lässt sich beispielsweise die Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus in der Strafjustiz und in den Ermittlungsbehörden voranbringen? Haben Sie eine Antwort darauf? Die haben Sie nicht. Zu diesen Fragen hat aber das Deutsche Institut für Menschenrechte ein Modellprojekt durchgeführt und extrem wichtige Handlungsstrategien auf den Weg gebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, ich möchte mit diesen drei Punkten beispielhaft deutlich machen: Auch wir in Deutschland haben menschenrechtliche Defizite.

(Stephan Brandner [AfD]: Noch ganz andere Defizite!)

Und nicht nur bei Gewalt gegen Frauen, bei inklusiver Schulbildung und bei der Ahndung rassistischer und antisemitischer Straftaten gilt, dass wir, die Bundesregierung und die Ampelfraktionen, unseren Einsatz für Menschenrechte in Deutschland verstärken und einander helfen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Besser werden wir aber nur, wenn wir wissen, wo die Defizite liegen, und dafür braucht es ein solches Institut. Dass uns das Institut den Spiegel vorhält und Kritik übt, ist wichtig und richtig, wie der Kollege Ullrich gerade völlig zu Recht ausgeführt hat. Wir stellen uns dieser Kritik, weil sie uns Glaubwürdigkeit in der Welt verleiht. Deutschland ist ein angesehener Partner in der Menschenrechtspolitik. Der Universal Periodic Review ist genau das: Länder begutachten uns, reflektieren unsere Menschenrechtslage. Wir begegnen uns dort auf Augenhöhe. Das sollten Sie mal ausprobieren, Herr Brandner. Immer nur am Boden zu kriechen, ist auch nicht wirklich menschenwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher gilt mein ausdrücklicher Dank – das sage ich im Namen meiner Fraktion, aber auch anderer Fraktionen hier im Haus – allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Sie leisten eine extrem wertvolle Arbeit. Ihr Mut und Ihre Haltung sind wichtig für unsere Debatten. Bitte lassen Sie sich nicht einschüchtern! Bitte setzen Sie Ihre Arbeit fort! Wir haben uns in den vergangenen Jahren immer wieder für eine Aufstockung der Mittel eingesetzt. Das werden wir auch in Zukunft tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Für linke Hetzpamphlete!)

Meine Damen und Herren, Sie müssen mir ja nicht glauben; aber Publius Cornelius Tacitus hat einmal gesagt – meine Referentin Christina Gels, die ich an dieser Stelle sehr herzlich grüße, hat mir seine Worte aufgeschrieben –: Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wer als Reaktion auf eine, wie ich finde, sehr berechtigte Publikation zu solchen Niederträchtigkeiten hier vorne aufruft, der hat ein Glaskinn, der kann Kritik nicht aushalten, sondern kann nur austeilen.

(Fabian Jacobi [AfD]: Noch mal: Kritik ist nicht Hetze! Das ist ein Unterschied!)

Das ist einer Demokratie nicht würdig.

Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält für die Fraktion Die Linke Zaklin Nastic.

(Beifall bei der LINKEN)