Rede von Dieter Janecek Digitalisierung
Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe FDP, na ja, so richtig beschleunigt ist Ihr Antrag zur Beschleunigung der Digitalisierung nicht eingereicht worden. Wir haben ja jetzt schon neun Monate Legislatur hinter uns; deswegen haben wir – zur Erinnerung – unseren eigenen Antrag zu einer kohärenten Gesamtstrategie vom Januar dieses Jahres auch in der zweiten Plenarberatung hier vorgestellt. Daher können wir das vielleicht heute gemeinsam diskutieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Sitta [FDP]: Wir haben der Regierung einen Vorsprung gelassen!)
Der Unterschied kommt gleich am Anfang raus – wir finden einiges gut, was ihr da aufgeschrieben habt, lieber Manuel Höferlin –: Wir teilen die Aussage von Christian Lindner nicht – er hat sie selber schon zurückgenommen –, nämlich: „Digital first. Bedenken second.“ Man braucht eine wertegebundene Gesamtstrategie für die Digitalisierung, und Beschleunigung alleine ist nicht alles.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir haben heute schon die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ eingesetzt. Mittlerweile haben wir auch die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ eingesetzt. Man könnte also meinen, unser Ausschuss – Ausschuss Digitale Agenda – verdient langsam seinen Namen. Aber ich selber muss ehrlich sagen: Ich verwende diesen Namen seit einigen Monaten nicht mehr, weil ich bis heute nicht weiß, was die Digitale Agenda der Bundesregierung ist.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deswegen sage ich immer „Digitalausschuss“. Das ist dann deskriptiv. Das andere ist ja sozusagen nach vorne weisend. Da bin ich doch mit der FDP sehr einer Meinung: Wir bräuchten mal endlich eine Priorisierung der Digitalpolitik in Deutschland. Da hat die FDP einige Maßnahmen aufgeschrieben.
Man konnte sich übrigens letzte Woche in Skandinavien anschauen, wie es sich entwickelt, wenn man es so macht mit der Digitalisierung.
(Falko Mohrs [SPD]: Da war die FDP aber nicht mit, glaube ich!)
Wir waren mit dem Digitalausschuss beispielsweise in Dänemark. Dänemark ist das Land Nummer eins in Europa bei der digitalen Verwaltung. Dort sind alle wesentlichen Verwaltungsleistungen digital erhältlich. Ein bisschen krasser ist es vielleicht nur noch in Estland. Das Einzige, was man da nicht digital machen kann, ist, sich scheiden zu lassen, und das ist vielleicht auch ganz sinnvoll so.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ein weiterer Punkt ist natürlich der Breitbandausbau. Da stimmen wir auch im Hinblick auf das Ziel überein: Das geht viel zu langsam. – Tabea Rößner und viele andere haben jahrelang dafür gekämpft, dass wir hier endlich zu einem anderen Wettbewerbsmodell kommen.
Das Problem ist aber: Wir dürfen da nicht einfach nur die Förderprogramme umschreiben, sondern wir müssen dafür sorgen, dass beispielsweise die Kommunen die Oberhand über den Ausbau haben, wie das in Schweden der Fall ist, wo wir letzte Woche ebenfalls waren. Dann geht das voran – kostengünstig, effizient –, und es wird gemacht. Insofern braucht es eine ganzheitliche Strategie. Beschleunigung allein bringt es nicht. Da muss man auch einen Ansatz haben, der die Bürger mitnimmt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt noch ein Punkt – da unterscheiden wir uns wesentlich; das ist ein Punkt der fehlt, auch insgesamt; wir sind ganz froh, dass wir ihn in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ verankern konnten –: Es ist die Frage: Wie können wir eigentlich digitale Technologien nutzen, um ökologisch zu wirtschaften? Irgendwie wäre es ja ganz sinnvoll, dass wir den Klimaschutz mit der Digitalisierung zusammenbringen und die Potenziale der Digitalisierung nutzen. Da fehlt Wesentliches bei der FDP; denn es bringt uns nichts, wenn alle Fahrzeuge, die heute im Verkehr sind, autonom durch die Gegend fahren. Das ist kein ökologischer Ansatz, sondern das ist der Rebound: Dann haben wir nur noch mehr Verbräuche, nur noch mehr Verkehr, und wir haben keine bessere Regelung für die Menschen in den Städten.
Also müssen wir bei der Digitalisierung auch über einen ökologischen Rahmen nachdenken, und das heißt auch, darüber nachzudenken: Wie können wir Green IT machen? Wie können wir mit Digitaltechnologie den CO 2 -Ausstoß reduzieren? Wie können wir das Ressourceneinsparpotenzial in der Industrie realisieren? Dafür brauchen wir einen Ansatz. Dieser Ansatz fehlt momentan ganz und gar. Ich glaube, dass wir ein Potenzial sehen, diesen Ansatz vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam zu entwickeln.
Was ich auch noch sagen will: Das Thema der Monopole habt ihr richtig gesetzt; denn natürlich ist die Digitalisierung Kapitalismus in Reinstform, wenn man nicht im Sinne des fairen Marktes reguliert. Das heißt, die Frage, wie wir mit großen Internetkonzernen umgehen, wird eine Frage sein, die wir auch im Wettbewerbsrecht in den kommenden Monaten und Jahren zu regeln haben. Die nächste Novelle zum GWB steht an. Katharina Dröge vertritt hier unsere Position im Parlament. Auch da werden wir darauf schauen, dass es vorangeht.
Letzter Gedanke. Ganz wichtig: Die Akteure der Digitalisierung sind nicht nur die Großen, das sind vor allem die Kleinen. Das sind übrigens auch die Social Entrepreneurs. Das sind die vielen Start-ups. Aber es sind auch diejenigen, die wirklich was zum Guten verändern wollen. Deswegen sind wir für einen ganzheitlichen Ansatz. Ansonsten freuen wir uns über die weitere Diskussion.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)