14.12.2023

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Heute ist ein guter, ein wichtiger Tag für die Patientinnen und Patienten und das gesamte Gesundheitswesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir beschließen heute zwei wichtige Gesetze, die ein zentrales, umfassendes und grundsätzliches Update für die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens bedeuten. Wir holen damit den Rückstand von 15 Jahren

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: 16 Jahren!)

verpasster Digitalisierungsbemühungen endlich auf und bringen das System auf den aktuellen Stand der Gegenwart. Damit stellen wir die Sicherheit für Patientinnen und Patienten, bessere Versorgung, Effizienz und Qualität in den Mittelpunkt der Digitalisierungsstrategie und der Modernisierung unseres Landes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich will auf einige der in den vorangegangenen Minuten geäußerten Einwände vonseiten der Union, warum sie sich bei diesem Gesetz enthalten will, eingehen.

Wie ist denn der Istzustand? Bevor ich in den Bundestag eingezogen bin, war ich als Notarzt tätig. Aus dieser Zeit möchte ich Ihnen einen Alltagsfall konkret schildern: Man kommt in die Wohnung einer schwer erkrankten Patientin mit einer längeren Krankengeschichte. Dort finden sich unterschiedliche Aktenordner, einzelne Zettel, veraltete Medikamentenlisten. Innerhalb kürzester Zeit muss man sich ein Bild von der akuten Situation, in der sich die Patientin befindet, und ihrer Krankengeschichte machen. Man sucht in den Zetteln die wichtigsten Informationen zur medikamentösen Behandlung zusammen und tippt sie ab, um später, nachdem man die Patientin ins Krankenhaus gebracht hat, dort die entsprechenden Befunde wieder auszudrucken. Diese werden dann im Krankenhaus wieder eingescannt; denn es besteht keine Schnittstelle, an der die Informationen in einheitlicher Sprache an einem Ort zusammengeführt werden. Am Ende des Tages und des Krankenhausaufenthalts wird der Entlassbrief wiederum ausgedruckt, in den Aktenordner der Patientin geheftet und per Fax in die Hausarztpraxis geschickt. Diese Zustände sind unhaltbar, ineffizient und vor allem gefährlich für Patientinnen und Patienten. Wir machen heute Schluss damit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir legen ein Gesetz vor, das die Daten an einem Ort zusammenführt, damit die Gesundheitsberufe, die für das Wohlergehen und die Genesung der Patientinnen und Patienten arbeiten, an einem Ort mit standardisierten Schnittstellen – zentral und übersichtlich – alle vorhandenen Befunde abrufen können und wissen, worauf es ankommt. Vom Kollegen Rüddel aus der Unionsfraktion kommt nun der Einwand, dass es doch besser sei, noch ein paar Jahre zu warten, weil noch nicht alle Informationen als strukturierte Daten zur Verfügung stehen. Genau das ist der Fehler. Wir haben seit Jahren immer auf irgendetwas gewartet, obwohl die nutzenbringenden Effekte so klar auf der Hand lagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Röntgenbild, das heute noch nicht als strukturierter Datensatz vorliegt, hilft der Ärztin oder dem Arzt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, also in der Nachbehandlung sehr wohl und ganz konkret im Sinne der Patientinnen und Patienten.

Sie haben die Telemedizin angesprochen und darauf verwiesen, dass Ihnen unser Gesetzentwurf in diesem Punkt nicht weit genug geht. Haben Sie den Gesetzentwurf denn nicht gelesen? Wir heben den Deckel von 30 Prozent auf und lassen 100 Prozent Telemedizin im gesamten Gesundheitswesen zu. Mehr geht nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Stattdessen wollen Sie lieber noch einmal abwarten, gucken und sich enthalten. Genau das ist die falsche Politik; denn diese Politik hat Deutschland in einen solchen Rückstand getrieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie werfen die Frage auf, ob es denn richtig sei, all diese Daten an einem Ort zusammenzuführen. Ich sage ausdrücklich: Ja. Dieses Gesetz ist ein Datenschutz- und Patientenrecht-Empowerment. Bisher sind doch all diese Daten fragmentiert an unterschiedlichsten Stellen im Gesundheitswesen gespeichert. Die einzigen Menschen, die diese Daten nicht sehen können, sind die Patientinnen und Patienten selbst. Das ist nicht richtig. Und deswegen machen wir damit Schluss.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir setzen den Betroffenen eine Brille auf, mit deren Hilfe sie erstmals selbst entscheiden können, welche Daten wer sehen soll und mit wem sie sie teilen möchten, und vor allem selbst sehen, was über sie gespeichert ist.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz regeln wir noch etwas ganz Entscheidendes. In Deutschland gibt es viel Wissenschaft. Aber in der Art und Weise, wie gerade in der Medizinforschung Innovation betrieben wird, profitieren nicht alle Gruppen in unserer Gesellschaft gleichermaßen von der Forschung. Kinder, Frauen und andere marginalisierte Gruppen profitieren nicht, weil sie nicht repräsentativ in Studien einbezogen werden. Wir sorgen mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz erstmals im größten Land in Europa dafür, dass repräsentative Daten für alle Bevölkerungsgruppen vorliegen und sie als Grundlage für wichtige Entwicklungen dienen. Jeder zweite Mensch in unserem Land wird im Lauf seines Lebens an Krebs erkranken. Jeder in dieser Situation wird dann hoffen, die beste Diagnostik und Therapie zu bekommen. Das geht nur mit Datensolidarität. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist Ausdruck gelebter Datensolidarität für Innovation und für Deutschland. Wir freuen uns sehr, dass wir mit diesem Gesetz die Voraussetzungen schaffen, den entstandenen Rückstand aufzuholen.

Ich danke ausdrücklich dem Bundesgesundheitsminister und den Berichterstattern Maximilian Funke-Kaiser, der wegen anstehender Vaterschaft vor dem Kreißsaal auf das hoffentlich bald eintretende freudige Ereignis wartet und deswegen nicht hier sein kann,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

sowie Matthias Mieves von der SPD-Fraktion, die im parlamentarischen Verfahren geholfen haben, dieses wichtige Gesetz zu dem zu machen, was es ist. Es ist ein gutes Gesetz für die Patientinnen und Patienten, und es ist ein gutes Gesetz für Deutschland. Lasst es uns gemeinsam beschließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Kay-Uwe Ziegler.

(Beifall bei der AfD)