14.06.2018

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir unterstützen das Anliegen bzw. das Ziel der Gesetzes- und der Verfassungsänderung, die Die Linke hier heute eingebracht hat, mehr direkte Demokratie neben dem bestehenden System der repräsentativen Demokratie einzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aber das genügt noch nicht: Neben der direkten Demokratie ist uns, Bündnis 90/Die Grünen, besonders wichtig, mehr Bürgerbeteiligung einzuführen, und das könnten wir auch ohne eine Verfassungsänderung machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem Entwurf – das haben meine Vorredner schon gesagt – gibt es verschiedene Aspekte, die man nicht alle abschließend darstellen kann. Deswegen will ich mich auf einige beschränken.

Der Schutz der Minderheiten, der immer in Gefahr ist – das ist Teil der Debatte zur direkten Demokratie –, muss gewährleistet werden. Jetzt wurde hier kritisiert, dass Die Linke vorschlägt, dass es im Vorfeld eine Kontrolle geben soll, die zum Gegenstand hat, Minderheiten zu schützen, damit keine Vorlagen zur Abstimmung gestellt werden, deren Annahme zur Folge hätte, dass Rechtsgrundsätze wie der Schutz der Minderheiten über Bord geworfen werden. Dass eine solche Vorkontrolle durchgeführt wird, ist ein Anliegen, das wir ausdrücklich unterstützen. Das soll davor schützen, dass mit der Einführung der direkten Demokratie die Grundordnung unserer Verfasstheit infrage gestellt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch beim Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger sind wir vom Bündnis 90/Die Grünen der Ansicht: Es muss mehr gemacht werden. Wir haben aktuell eine Diskriminierung im Wahlrecht. Menschen, die teilweise ihr ganzes Leben in diesem Land verbringen, werden bei Entscheidungen, von denen sie betroffen sind, nicht gefragt. Sie können nicht mitgestalten.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Dann sollen sie deutsche Staatsbürger werden!)

Das ist ein Zustand, der uns alle besorgt machen sollte und den wir verändern wollen. Auch da haben Sie die Unterstützung meiner Fraktion.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zu einer abschließenden Bewertung. Wir haben seit vielen Jahren ähnliche Anträge eingebracht. Man muss sich schon ein Stück weit fragen: Haben wir eine verfassungsändernde Mehrheit, oder wie gehen wir sozusagen auf das Ziel zu, tatsächlich mehr direkte Demokratie und Verbesserungen im Wahlrecht zu erreichen?

Da muss man sagen: Der Antrag für sich genommen – das kann ich schon prognostizieren – wird wahrscheinlich mit der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt werden. Aber damit wollen wir uns nicht begnügen. Wir sagen: Wir sind bereit, mit allen, die dazu willens sind, eine Debatte zu führen über die Wege, wie wir tatsächlich zu mehr Demokratie im Sinne von zusätzlicher repräsentativer und direkter Demokratie kommen.

(Karsten Hilse [AfD]: Dann stimmen Sie unserer Enquete-Kommission zu!)

Wir wollen unsere Demokratie lebendiger gestalten. Aber ich glaube nicht, dass es mit diesem Antrag getan ist. Vielmehr brauchen wir eine Debatte im ganzen Haus darüber, ob es tatsächlich mit einer Kommission gelingen kann.

(Karsten Hilse [AfD]: Enquete-Kommission!)

Wir sind gerne bereit, die entsprechenden Debatten zu führen, aber es muss klar sein, dass wir mit Blick auf das Ziel „mehr direkte Demokratie“ nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass dadurch mehr Ausgrenzung passiert. Das ist der Grund, warum wir seinerzeit den AfD-Antrag hier eher ablehnend behandelt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Welche Ausgrenzung denn?)