Rede von Marlene Schönberger documenta

07.07.2022

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! In der Planung und Durchführung der Documenta hat die Leitung versagt. Die antisemitischen Exponate haben Jüdinnen und Juden nicht nur in Deutschland, sondern weltweit erschüttert und entsetzt. Das hat die Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Kulturausschuss in aller Klarheit benannt, und dafür danke ich ihr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Kulturstaatsministerin handelt. Genau deshalb können wir Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, nicht zustimmen. Anstatt die Staatsministerin in ihrem entschiedenen Vorgehen zu unterstützen, machen Sie den Skandal um die Documenta zu einem Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen. Das ist schäbig und wird der Sache nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Wenn einem sonst nichts einfällt!)

Es gibt nichts zu beschwichtigen. Die vieldiskutierten Darstellungen in der Documenta treten in die Fußstapfen des europäischen Antisemitismus. Ritualisiert wird in diesem Land wiederholt: Hier ist kein Platz für Antisemitismus. – Tatsache ist aber: Antisemitismus hatte in Deutschland schon immer einen Platz. Um das zu ändern, brauchen wir mutiges Handeln. Dazu gehört der Fünf-Punkte-Plan. Dazu gehört die vorgeschlagene Strukturreform der Documenta. Dazu gehören das Überprüfen und das konsequente Entfernen aller antisemitischen Exponate von der jetzigen Ausstellung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Es geht nicht nur um die Documenta! Es geht um ein strukturelles Problem! Was ist mit dem IS?)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Gut.

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Darüber hinaus müssen wir die Frage stellen: Wie konnte es passieren, dass offensichtlich antisemitische Darstellungen seitens der Documenta hingenommen bzw. nicht erkannt wurden? Wenn der vulgäre Antisemitismus schon nicht aufgefallen ist, wie ist es dann erst mit dem Antisemitismus, der über Umwege und Chiffren geäußert wird? Beide bedrohen Jüdinnen und Juden und unsere demokratische Ordnung auf die gleiche Weise.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, hat gestern eindringliche Worte gefunden. Die Kritik von Jüdinnen und Juden und die Bedenken der Antisemitismusforschung wurden seitens der Documenta-Leitung ignoriert, missachtet und zum Teil lächerlich gemacht. Wir müssen ernst nehmen, wenn sich jüdische Künstler/-innen und Kulturschaffende nicht gewollt oder unsicher fühlen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, das werden wir nicht hinnehmen. Die Kulturstaatsministerin hat es unmissverständlich ausgedrückt.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Warum redet sie dann nicht? – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wieso redet Frau Roth nicht über diesen Antrag?)

Die Bekämpfung des Antisemitismus muss so global sein wie der Antisemitismus selbst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wer Kunst schafft, muss Kritik an seinem Werk ertragen können. Die Kunst ist frei, aber nicht kritikfrei. Die Freiheit der Kunst beinhaltet nicht die Freiheit, gegen Menschen zu hetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deshalb brauchen wir in Kunst und Kultur Haltung, eine Haltung, die besonders nach Auschwitz jedem Antisemitismus den Kampf ansagt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Was ist mit dem IS? Das ist eine Schande!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Schönberger. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Katrin Budde, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)