Rede von Dr. Tobias Lindner Jahresbericht 2018 des Wehrbeauftragten

12.04.2019

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, geschätzte Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich bietet die Debatte zum Jahresbericht immer eine Gelegenheit, dankzusagen, erst recht, wenn das Amt des Wehrbeauftragten – eine Institution sui generis, wie man in Verfassungsrechtskommentaren nachlesen kann – 60 Jahre alt wird. Ich will im Namen unserer Fraktion nicht nur Ihnen, Herr Bartels, ganz persönlich und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Amtes, die die Eingaben bearbeitet und in Teilen dann auch dem Parlament zugeleitet haben, danken. Ich will heute an dieser Stelle auch allen Soldatinnen und Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr danken, die sich im vergangenen Jahr teilweise ein Herz haben fassen müssen, um eine Eingabe beim Wehrbeauftragten zu machen. Ich will ihnen zurufen: Diese Eingaben sind alles andere als sinnlos. Nein, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, meine Damen und Herren, und deswegen sind sie elementar für unsere Arbeit hier im Deutschen Bundestag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir uns den Jahresbericht 2018 anschauen, dann muss man festhalten – das ist schon erwähnt worden –: Die Themen sind ähnliche wie in den Vorjahren. Das deutet natürlich darauf hin, dass die vielen angekündigten Trendwenden – da ist man immer froh, dass dieses Pult hier Haltegriffe hat, weil man schon fast ins Drehen kommt, wenn man hört, was die Ministerin alles als Trendwende ankündigt – nur einen sehr geringen Niederschlag in der Realität finden. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn im Jahresbericht beim Thema Bekleidung als Fortschritt bei der Truppe aufgeführt ist, dass Soldatinnen und Soldaten künftig sechs statt fünf Kurzarmunterhemden haben, dann frage ich mich, was der Anspruch des Ministeriums an eine zeitgemäße Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten ist.

Es kommt immer wieder der Ruf nach mehr Geld, nach 1,5 Prozent oder 2,0 Prozent. Herr Elsner von Gronow, Sie haben vorhin hier an diesem Pult gesagt, es sei doch nicht zu viel verlangt, „von 1 Euro, den die Bundesregierung ausgibt, 2 Cent“ für das Militär auszugeben. Das wären dann nur 7,1 Milliarden Euro – wir haben es mal nachgerechnet. Sie haben vermutlich die Wirtschaftsleistung gemeint. – Das zeigt doch, meine Damen und Herren, dass diese ganzen Debatten um irgendwelche Prozentzahlen ziemlich abstrakt, beileibe ziemlich absurd sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss doch in Wahrheit darum gehen, was bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt, damit sie den Auftrag, den wir ihnen geben, adäquat erfüllen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will einen weiteren Punkt nennen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Tauber, Sie haben hier an diesem Pult über Fehlerkultur gesprochen. Wir haben in dieser Woche leider wieder ein Beispiel dafür erleben müssen, wie eine Fehlerkultur eigentlich nicht aussehen sollte. Wir haben in dieser Woche in den Gremien, im Verteidigungs- und im Haushaltsausschuss, erörtert, wie es eigentlich zu dem ganzen Sanierungsdesaster um die „Gorch Fock“ kommen konnte. Da hatte sich ein Referatsleiter bei der Erstellung einer Entscheidungsvorlage für die Ministerin ein Herz gefasst. Er hat, als die Sanierungskosten steigen sollten, in die Vorlage reingeschrieben, dass sein Referat empfiehlt, die Instandhaltung abzubrechen und zu untersuchen, ob nicht vielleicht ein Neubau eines Segelschulschiffs die wirtschaftlichere und für die Truppe bessere Lösung wäre.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Und da hat der Wehrbeauftragte widersprochen!)

Und was macht dann die Führung des Hauses, was macht der heutige Staatssekretär Zimmer? Er streicht diese Bemerkung des Referats einfach aus der Vorlage für die Ministerin heraus. Das, meine Damen und Herren, hat nichts mit einem offenen Diskurs im Verteidigungsministerium zu tun,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

und es hat erst recht nichts mit Fehlerkultur zu tun.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie, lieber Herr Bartels, nachdem Sie ja schon vom Kollegen Brunner mit einer nervigen Schwiegermutter verglichen worden sind, abschließend nur bitten: Nerven Sie uns weiter, nerven Sie uns auch mal mit Dingen, die wir vielleicht nicht alle teilen; denn nur, wer nervt, wird am Ende des Tages gehört. Manchmal ist es eben so, dass gewisse unbequeme Wahrheiten einem auf die Nerven gehen. In diesem Sinn: Herzlichen Dank für Ihre Arbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])