Rede von Lamya Kaddor Ehen mit Minderjährigen

Lamya Kaddor
21.03.2024

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die CDU/CSU möchte die Bundesregierung daran erinnern, bis Ende Juni – wir haben es ja gerade gehört – ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen zu beschließen, um der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist gerecht zu werden.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das ist doch nett von uns!)

– Danke, wäre aber gar nicht nötig gewesen.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Offensichtlich schon! – Zuruf der Abg. Silvia Breher [CDU/CSU])

Grundsätzlich wäre Ihr Vorstoß ja löblich, wenn Sie nicht immer wieder mit solchen komplexen Themen versuchen würden, sich zu profilieren, indem Sie skandalisieren, und auch versuchen würden, Emotionen oder gar Empörung hervorzurufen. Das folgt leider häufig dem gleichen Muster: Es sind immer Probleme von Ausländern,

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Och nee!)

mit denen wir konfrontiert werden und denen wir mit harter Hand begegnen müssen – unabhängig davon, ob das für die Betroffenen immer das beste Ergebnis darstellt.

(Zuruf der Abg. Silvia Breher [CDU/CSU])

Denn tatsächlich ist mit Ihren Vorstellungen noch keinem verheirateten Minderjährigen geholfen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP] – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Oh! Doch Streit in der Koalition!)

Und um eines klarzustellen: Ich bin als Mutter einer minderjährigen Tochter die Allererste, die die Ehe von Kindern verbieten möchte.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Na dann, auf geht’s!)

Hier an der Volljährigkeit anzusetzen, hielte ich übrigens für notwendig. Jedoch gilt – wie fast immer bei sensiblen Themen –: Schwarz-Weiß-Betrachtung ist nicht zielführend. Die Welt der Menschen ist komplexer, als es Ihnen lieb ist. Wir können mit dem deutschen Recht nichts gegen Kinderehen tun, die im Ausland geschlossen und geführt werden.

Wie sollen wir aber nun damit umgehen, wenn die Menschen nach Deutschland kommen, die in einer solchen Ehe leben? Karlsruhe hat aus meiner Sicht zu Recht geurteilt, dass eine pauschale Aufhebung von Kinderehen ohne anschließende vermögens- und unterhaltsrechtliche Auseinandersetzung verfassungswidrig ist.

Anders als Sie suggerieren, ist es eben mit einer schlichten Auflösung der Ehe nicht getan.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Haben Sie unseren Antrag gelesen?)

Viele Mädchen und Frauen befänden sich dann in einer Situation, in der sie jegliche mit der Ehe einhergehenden Ansprüche verlieren würden: Zugewinnausgleich, Unterhalt für sich und eventuelle Kinder, Erbansprüche usw.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Das ist jetzt Ihre Aufgabe, das zu lösen!)

Dazu kommt auch eine mögliche soziale Ächtung, das Kind einer Mutter zu sein, die selbst noch ein Kind war, als die Ehe geschlossen wurde.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Auf was haben Sie sich denn jetzt geeinigt eigentlich?)

Das alles hat ebenso wenig mit Selbstbestimmung zu tun wie die vorausgegangene arrangierte Ehe oder gar Zwangsverheiratung, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP] – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So richtig nach Einigung klingt das aber nicht hier!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Die Lösung muss gut durchdacht sein.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Ich denke, die ist durchdacht! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ich dachte, die gibt’s schon!)

Dafür hat sich die Ampel Zeit genommen und sich gestern geeinigt.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Auf was?)

Der Gesetzentwurf ist auf dem Weg und wird fristgerecht im Bundestag eingebracht.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wohin denn? Auf dem Weg wohin denn?)

– Hören Sie doch einfach zu!

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Liebe Kollegin Kaddor, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Müller aus der Unionsfraktion?

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Bitte.

Axel Müller (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wir hatten ja mit Blick auf die von Ihnen erwähnte Frist – 30. Juni 2024 – eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung geschickt, wie es um dieses Gesetzesvorhaben bestellt sei, weil die Zeit ja drängt. Wir haben am 12. Februar 2024 eine Antwort bekommen. Die Bundesregierung hat uns geantwortet – der Kollege Strasser hat das verantwortet –, dass „der Diskussionsprozess hierzu … innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen“ sei.

Jetzt hat der Kollege Krings in seiner Rede darauf hingewiesen, dass offensichtlich eine Einigung erzielt worden sei. Die Kollegin Dilcher hat gesagt, man sei noch in Diskussionen. Sie sagen, es sei eine Einigung erzielt worden, und Sie haben gerade selber einen wichtigen Punkt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genannt, nämlich die nicht geregelten Unterhaltsansprüche. Wenn Sie eine Einigung haben, würde mich interessieren, wie jetzt die Regelung bezüglich der Unterhaltsansprüche aussieht. Möglicherweise können Sie uns das ja gleich heute sozusagen taufrisch berichten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Da gehen wir von aus! – Silvia Breher [CDU/CSU]: Na selbstverständlich! – Dr. Christian Wirth [AfD]: Das kann sie nicht!)

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gute und tatsächlich auch berechtigte Frage. Ich muss mich damit stärker befassen; der Text liegt mir noch nicht vor.

(Unruhe bei der CDU/CSU – Silvia Breher [CDU/CSU]: Oh, wie schade! Sie haben sich doch geeinigt! Was steht denn drin? – Lachen des Abg. Dr. Christian Wirth [AfD])

– Na ja, er liegt mir nicht in Gänze vor. Wenn man sich gestern erst in der Regierung geeinigt hat, wie soll ich den denn heute vollständig vorliegen haben?

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Das ist doch total einfach!)

– Aber, aber, aber, aber!

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Aber Rhabarber!)

Genau diese Punkte wurden bearbeitet: Wie können die Betroffenen – manchmal sind ja auch junge Männer davon betroffen; das sind nicht immer nur junge Frauen – zukünftig versorgt werden, abgesichert werden?

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Halten wir fest: Die Ampel muss sich stärker befassen! – Gegenruf der Abg. Silvia Breher [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)

Wie kann die soziale Ächtung umgangen werden?

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Wo sind die Antworten? Wir brauchen nicht die Fragen!)

Beratungsangebote sollen geschaffen werden – auch das hat ja das Bundesverfassungsgericht angemahnt –, und das sieht dieser Entwurf, soweit mir bekannt ist, vor.

(Axel Müller [CDU/CSU]: Das war nicht meine Frage, aber egal! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aber es war eine ehrliche Antwort!)

– Das macht nichts.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Also, dieser Entwurf sieht eben alle Punkte vor – da war ich gerade im Text; das hätte ich Ihnen ohnehin beantwortet –, die Sie in Ihrem Antrag fordern: Im Ausland geschlossene Ehen werden auch künftig in Deutschland unwirksam – das ist ja mit das Wichtigste –, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 16 Jahren war; es wird ein Beratungsangebot aufgebaut – auch das war Ihnen ja, glaube ich, ziemlich wichtig –; Unterhaltsansprüche werden gewahrt, und es soll Paaren ermöglicht werden, ihre Ehe auf Wunsch nach deutschem Recht weiterzuführen, sobald beide volljährig sind. So ist also aus meiner Sicht für skandalisierende und auch redundante Anträge heute und hier kein Platz.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Silvia Breher [CDU/CSU]: Wenn Sie nicht mal eine Antwort haben! Also wirklich!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Katrin Helling-Plahr für die FDP-Fraktion ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)