Christina-Johanne Schröder
21.06.2023

Christina-Johanne Schröder (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gästinnen und Gäste auf der Tribüne! Sie haben einfach recht: Deutschland ist ein Mieterland, und das nicht erst seit den letzten anderthalb Jahren, sondern schon immer. In anderen Ländern, zum Beispiel in Skandinavien, da gibt es eine andere Kultur. Da kauft man sich oft mit Anfang 20 die Einzimmerwohnung, verkauft die, zieht mit einem Partner zusammen in ein Apartment, kauft sich die nächste Wohnung. Zur Familiengründung kauft man sich ein Haus und verkauft das wieder, wenn dann die Familienphase vorbei ist. So ist Deutschland einfach nicht. Das hat verschiedene Gründe. Das hat kulturelle Gründe. Das kann man gut oder schlecht finden. Das kann man verändern wollen oder eben nicht. Aber diese Situation haben wir durch jahrzehntelange Politik – nicht erst seit 4 Jahren, nicht erst seit 16 Jahren, aber auch ganz stark in dieser Zeit – geprägt. Was sind die Gründe?

Wir haben die Immobilienbranche in Deutschland immer durch ganz viele Gesetze gestärkt.

Wir haben immer dafür gesorgt, dass langfristiges Mieten – also nicht umzuziehen, sondern in einer Wohnung zu bleiben – sehr günstig ist.

Wir haben immer dafür gesorgt, dass die Renditen in der Immobilienbranche besonders hoch sind.

Die Schere der Vermögensungleichheit und des Wohneigentums klafft daher in Deutschland, im EU-Vergleich betrachtet, besonders weit auseinander. Und wir sehen auch eine demografische Schere: Junge Leute haben erheblich weniger Wohneigentum als ältere Menschen, was einhergeht mit der Situation, dass ältere Menschen wesentlich mehr Platz haben.

Jetzt wird immer von verschiedenen Lösungen berichtet. Erst mal zu den Baustandards. Es ist vollkommen wahr: Es gibt ein paar Baustandards zu viel in Deutschland; aber die gibt es nicht erst seit den letzten anderthalb Jahren. Wenn man sich einfach anguckt, wie manchmal gebaut wird, dann weiß man: Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir sehr viel mehr Baustoffe verbrauchen und dass das ein gutes Geschäftskonzept ist, was wir lange gefördert haben, was aber wenig mit energetischer Sanierung oder eben mit Wohnqualität zu tun hat.

(Jörn König [AfD]: Wie bitte? Das hat nur mit Ihren energetischen Auflagen zu tun!)

Und da müssen wir eben auch ran.

Was klar bewiesen ist, ist, dass die energetischen Standards das Wohnen um circa 6 Prozent teurer machen. Das ist nicht viel; denn man zahlt ja am Ende auch weniger Wohnnebenkosten. Also nein: Das ist einfach nicht der Grund.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, danke.

Warum ist eigentlich Wohnen so teuer, oder warum sind Häuser so teuer? Also, erst mal haben wir explodierende Grundstückspreise; denn Fläche ist endlich. Und insbesondere die Union hat nicht dafür gesorgt, dass unsere Kommunen gute gesetzliche Grundlagen haben, um Bodenbevorratung zu betreiben. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass es starke Satzungsgebiete gibt

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Was? – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Hä?)

wie Sanierungsgebiete, in denen Kommunen eben steuern können. Das wollen wir in der Baugesetzbuchnovelle jetzt endlich ändern.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Aus Verboten entsteht kein Eigentum! – Zuruf des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])

Die Union hat auch dafür gesorgt, dass Mieten und Wohnkosten sich von der allgemeinen Teuerungsrate abgekoppelt haben. Deswegen haben wir als eine der ersten Maßnahmen das Wohngeld erhöht. Davon profitieren nämlich Mieter/-innen genauso wie Hauseigentümer/-innen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Immobilien- und die Baubranche haben sonnige Zeiten mit hohen Renditen erlebt, mit wirklich hohen Renditen. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wurde eine Kette von Teuerungen ausgelöst, ausgehend von eben schon sehr, sehr hohen Bodenpreisen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Aber es gibt eben auch hausgemachte Probleme!)

Es gibt jetzt noch Preissteigerungen bei Materialien und natürlich einen gewissen Handwerker/-innenmangel, der sich gerade konsolidiert.

Aber das, was der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine am allerteuersten gemacht hat, ist Geld, meine lieben Damen und Herren. Denn wer sich heute einen Kredit von 350 000 Euro leiht, muss über 30 Jahre etwa 150 000 Euro mehr zahlen als noch vor zwei Jahren; und das macht es gerade Familien unmöglich, sich Eigentum zu erwerben.

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Sie fordern in Ihrem Antrag, das Baukindergeld für den Bau von Einfamilienhäusern weiter bereitzustellen. Gerade im ländlichen Raum gibt es mehr als genug Einfamilienhäuser. Und der demografische Wandel – das wissen wir, auch wenn ich allen Menschen ein langes Leben wünsche – wird dafür sorgen, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine große Menge an Ein- und Zweifamilienhäusern frei werden. Schon jetzt haben wir einen Käufermarkt. Gerade im ländlichen Raum sind die Immobilienpreise massiv gesunken. Probieren Sie mal, ein Haus für denselben Preis wie vor zwei Jahren zu verkaufen.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Ist das Ihre Politik gegen die Urbanisierung in unserem Land?)

Wir haben einen Käufermarkt.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Wir haben einen Käufer/-innenmarkt!)

Käufer/-innen von Immobilien können endlich wieder verhandeln.

Um die Eigentumsquote zu erhöhen, haben wir bereits ein Wohneigentumsprogramm aufgelegt. Wir haben auch eine neue Neubauförderung aufgelegt. Immer wird gesagt: „Es wird nicht funktionieren“, und immer merken wir: Huch, das Geld wird ganz schön schnell abgerufen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD] – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Das funktioniert so gut, dass die Zahl der Baugenehmigungen durch die Decke geht!)

Keiner verbietet den Traum vom eigenen Haus.

(Zuruf von der AfD: Doch, die Grünen in Hamburg!)

Aber es ist eben auch nicht Aufgabe des Staates, Schulden aufzunehmen, damit wenige bessergestellte Menschen sich ein neues Haus kaufen können, und damit die Vermögensungleichheit weiter anzuheizen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wir wollen ja, dass alle sich ein Eigenheim leisten können!)

Was wir brauchen, sind Änderungen bei der Grunderwerbsteuer – ganz sicher –, und zwar für selbstbewohntes Eigentum; idealerweise zahlt man sie einmal und dann nicht wieder.

Was wir auch brauchen, ist eine Nachregulierung der Maklergebühren. Deutschland hat nämlich mit die teuersten Maklergebühren in ganz Europa.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Makler/-innengebühren!)

Und das Gesetz, was Sie 2020 abgeschlossen haben, das wurde praktisch systematisch umgangen in letzter Zeit.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Die Maklergebühren sind halbiert worden!)

Und was wir brauchen, ist Sanierung; denn wir haben unheimlich viele Leerstände. Was wir brauchen, ist Aufstocken. Was wir brauchen, ist Randbebauung.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: § 13b Baugesetzbuch! Dann macht es!)

Was wir brauchen, sind einheitliche Baustandards. So schaffen wir die 1,4 Millionen Wohnungen, und zwar durch Umnutzen, durch Sanieren, durch Aufstocken, durch Nachbauen – und nicht mit Ihrem Antrag.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sandra Weeser [FDP] – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Von der Rede können sich Häuslebauer nichts kaufen!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Roger Beckamp für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)