Rede von Philip Krämer Einsetzung Enquete-Kommission Afghanistan

08.07.2022

Philip Krämer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das, was wir eben gehört haben – Kriegskoalition, Hunger als Waffe, Taliban als Freunde –, ist eine Umkehrung der Realität

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

und ist insbesondere in Zeiten eines Krieges in Europa und vor dem Hintergrund einer konsequenten Fehleinschätzung der außenpolitischen Lage der Linkspartei bezeichnend. Dem sollten wir hier nicht folgen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie haben das 20 Jahre lang richtig eingeschätzt? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts eingeschätzt, Frau Dağdelen!)

Der 20-jährige Krieg in Afghanistan war bisher das prägendste Ereignis, wenn nicht ein prägender Zustand meiner Generation. Als er begann, war ich neun Jahre alt. Nun, als er mit dem Alliiertenabzug endete, bin ich 20 Jahre älter. Noch viel prägender war er allerdings für die Menschen in Afghanistan und die Soldatinnen und Soldaten, die in ihm gedient, ihr Leben riskiert und vielfach verloren haben. Ihnen, den deutschen und alliierten Soldatinnen und Soldaten, ihren Familien und Freunden gilt unser Dank und Mitgefühl, ebenso den afghanischen Partnerinnen und Partnern der dortigen Zivilbevölkerung, die wie niemand sonst unter diesem Krieg gelitten hat und heute erneut unter der Gewaltherrschaft der Taliban leiden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch wenn der russische Angriffskrieg einen neuen außenpolitischen und auch militärischen Paradigmenwechsel hin zur Landes- und Bündnisverteidigung bedeutet, können wir internationale Einsätze und humanitäre militärische Interventionen mit deutscher Beteiligung in der Zukunft nicht mit Gewissheit ausschließen. Daher wollen wir uns mit der einzusetzenden Enquete-Kommission mit den Lektionen aus diesen 20 Jahren Krieg in einer multinationalen Koalition auseinandersetzen: Was lief gut? Was lief falsch? Was muss besser werden? Wie können wir die Leben unserer Soldatinnen und Soldaten, der Zivilbevölkerung, aber auch der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten wie auch das einer dem Krieg und Terroristen ausgelieferten Zivilbevölkerung besser schonen und schützen?

Die Koalitionstruppen konnten auch unter widrigen Bedingungen fast jeden militärischen Einzelauftrag erfüllen. Dieser Krieg wurde politisch verloren. Die Evakuierungsmission Kabuls symbolisiert die Niederlage auf tragische Art und Weise. Genau deshalb müssen wir uns die verschiedenen Dimensionen und Ebenen dieses multinational vernetzten Einsatzes und ihr Zusammenspiel gründlich anschauen. Regelmäßige Evaluation und Selbstkritik bereits während des Krieges – meine Vorredner hatten es auch angesprochen – hätten den Einsatz eventuell zu einem positiveren Einsatz führen können. Leider hat auch dieses Hohe Haus das wiederholt abgelehnt.

Lernen wir nun also gemeinsam aus den Fehlern der Vergangenheit, ergebnisoffen und selbstkritisch – „selbstkritisch“ unterscheidet uns, glaube ich, auch von der Linkspartei –, um besser ausgerüstet in die Zukunft gehen zu können, und zwar als Bundeswehr, als Politik, als Gesellschaft. Lassen Sie uns zügig nach der Sommerpause mit der Arbeit beginnen! Ich freue mich darauf.

Herzlichen Dank für die gemeinsame Initiative der Ampel und eben auch der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Susanne Hierl.

(Beifall bei der CDU/CSU)