Lamya Kaddor
23.06.2023

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Herr Stracke, es ist ja einfach unterirdisch, was Sie da gerade abgelassen haben. Im Ernst: Wenn Sie glauben, dass eine Absenkung des Sprachniveaus dazu führt, dass man sich schlechter integriert, dann muss ich Ihnen sagen: Man integriert sich am besten dadurch, dass man während der Arbeit Deutsch sprechen muss. Schon mal gemerkt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU/CSU)

Aber egal. Dafür sind Sie offensichtlich zu weit weg.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist eine Arroganz! Unglaublich! Ich weiß gar nicht, woher das kommt! Von der Qualifikation sicher nicht!)

Kennen Sie eigentlich jemanden, der tatsächlich als Fachkraft nach Deutschland gekommen ist? Fragen Sie mal Menschen auf der Straße danach, ob sie Fachkräfte kennen, die gekommen und geblieben sind, vielleicht sogar mit ihrer Familie. Das ist wohl eher eine Seltenheit. Dabei ist der Familienmitzug Studien zufolge ein wichtiger Faktor für eine gelungene Integration.

Und nicht nur das wird sich jetzt ändern, meine Damen und Herren. Das nun vorliegende Gesetz gibt erste notwendige Antworten auf die Fragen der Einwanderung und Integration. Darauf, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, können wir mit Recht stolz sein. Wir gestalten die Einwanderung durch ein faires Punktesystem. Wir schaffen endlich die Grundlage für eine zukunftsfähige Einwanderungspolitik. Mit Erlaubnis der Präsidentin sage ich: Endlich, endlich sind wir so weit! Das ist eine richtig gute Nachricht für dieses Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Im Wettstreit mit anderen erfolgreichen Einwanderungsländern wie den USA oder Kanada sind wir entscheidende Schritte weitergekommen. Die Herausforderungen sind groß. Das Einwanderungsland Deutschland braucht dieses Gesetz dringend. Wir investieren in die Zukunft dieses Landes. Der lange benötigte Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Integrationspolitik, er ist vollbracht, meine Damen und Herren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns Grünen war immer wichtig – das hat Konstantin von Notz hier gerade erwähnt –, dass auch Menschen, die bereits in Deutschland leben, weil sie um Schutz bitten, die Möglichkeit bekommen sollen, zu arbeiten. Was haben wir nicht alles erst vorgestern im Innenausschuss für krude Argumente gegen den sogenannten Spurwechsel gehört! Menschen würden sich nun auf den Weg nach Deutschland machen, nur um diese Regelung für sich auszunutzen.

Ich muss hier wirklich mal sagen: Was haben Sie denn für ein Menschenbild, liebe CDU/CSU?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was ist mit denen, die unterwegs sind?)

Weder wollen die Asylsuchenden die Spur wechseln, sprich: ihren Schutzstatus verlieren, noch wollen überhaupt alle Menschen nach Deutschland kommen. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Von der Realität erzählen uns doch alle Unternehmerinnen und Unternehmer, mit denen wir sprechen: Sie suchen alle verzweifelt nach Arbeitskräften. Und dagegen tut diese Regierung endlich was.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Lachen des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Wir haben als Parlament noch wesentliche Verbesserungen an diesem Gesetz erreichen können. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die daran mitgewirkt haben, sehr bedanken.

Sehr geehrter Herr Kollege Merz, Sie sind ja jetzt wieder da. Was hatte das Innenministerium unter Horst Seehofer nicht alles versprochen: Arbeitskräfte für die lahmende Wirtschaft. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, einst als großer Wurf geplant, war am Ende ein ängstliches, provinzielles Migrationsreförmchen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn, was Sie hier erzählen! Schämen Sie sich!)

Die Menschen sind woanders hingegangen. Daher ist es uns sehr wichtig, dass wir zusätzlich zu diesem Gesetz noch sehr viel stärker als bisher auf eine gelebte Willkommenskultur in allen Verwaltungsstrukturen drängen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das geht aber nur gemeinsam. Was ist denn Ihre Vorstellung von Integration? Wie sollen die Menschen hier ankommen? Sollen die sich selbst darum kümmern, sich hier wohlzufühlen? Ich habe einen Vorschlag: Fangen Sie doch einfach selbst direkt an, und heißen Sie Menschen willkommen in diesem Land,

(Beifall der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Lachen des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

indem Sie einfach aufhören, Ihre spalterischen und diskriminierenden Fehleinschätzungen, wenn es um das Zusammenleben in dieser Gesellschaft geht, abzugeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Bernhard Loos [CDU/CSU]: So ein Schmarrn! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist eine spalterische Rede! Wundern Sie sich eigentlich über Ihre Umfrageergebnisse? Wundern Sie sich?)

Man sieht doch, was Sie hier die ganze Zeit bringen; man hört es doch den ganzen Tag. Es muss darum gehen, Menschen hier Teilhabe zu ermöglichen und ihnen Respekt entgegenzubringen. Nur dann kann es funktionieren, meine Damen und Herren.

(Bernhard Loos [CDU/CSU]: Einfach mal zum Thema kommen!)

Ziehen Sie also Ihre bröckelnde Brandmauer zu den Rechtsnationalisten rechts von Ihnen endlich wieder hoch!

(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Frechheit!)

Denn je weniger AfD und rechte Anhänger es hier gibt, desto mehr Menschen machen sich vielleicht auf den Weg, die in dieses Land einwandern und hier leben wollen.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie lösen genau das Gegenteil aus!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Frau Kaddor.

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Einen Moment. – Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein riesengroßer Schritt hin zu einer zukunftssicheren Einwanderungspolitik.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Peinlich!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da wundert man sich wirklich über gar nichts mehr, wenn man so eine Rede hört! Fern jeglicher Realität! Durch nichts zu überbieten!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Konstantin Kuhle.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)