Rede von Dr. Danyal Bayaz Einzelplan Justiz und Verbraucherschutz

22.11.2018

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! John F. Kennedy hat 1962 eine große Rede gehalten und daran erinnert, dass Menschen immer auch Verbraucher sind, ein Thema, über das wir heute noch nicht so viel gesprochen haben. Er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Anliegen der Verbraucherinnen und Verbraucher meistens zu kurz kommen.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen aber Vertrauen in unsere Demokratie und unsere Institutionen haben, und sie sollen ihre Rechte einfach und klar in Anspruch nehmen können. Ich finde, das sind auch wichtige Merkmale unserer heutigen sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum sage ich das? Seit dem 1. November gibt es die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage, und ich stelle mir die Frage: Ist das wirklich das richtige Instrument, um das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken? Ich glaube, für die vielen betrogenen Dieselfahrer ist sie zwar ein wichtiges Signal, aber ein effektiver Verbraucherschutz – davon bin ich überzeugt – geht anders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung rechnet mit etwa 450 Klagen pro Jahr. Allerdings verkennt sie, dass die Klagebefugnis sehr eng gefasst ist. Es dürfen nicht einmal alle Verbände klagen, die auf der Liste stehen. Außerdem erlaubt die Musterfeststellungsklage nicht einmal, einen konkreten Schadensersatz direkt durchzusetzen.

Frau Ministerin, Sie haben im Mai hier im Plenum gesagt: „Wer recht hat, der muss auch Recht bekommen.“

Ich glaube, dass die Musterfeststellungsklage dafür ein viel zu sperriges Instrument ist. Von einer schlagkräftigen „Einer für alle“-Klage kann da nicht die Rede sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweckmäßig wäre nach wie vor die von uns vorgeschlagene Gruppenklage. Hier können sich Verbraucher und Unternehmen unabhängig voneinander zusammenschließen und gemeinsam vor Gericht ziehen. Das wäre die richtige Lösung gewesen. Das ist sie auch noch immer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben leider weiterhin ein Defizit bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Aber das Gute ist: Diese Lücke kann man füllen, und zwar auch mit innovativen Unternehmen im Rechtsbereich. Das sind sogenannte Legal-Tech-Unternehmen, die einen einfachen und schnellen Zugang zum Recht bieten, ohne komplizierte Formulare mit vielen Fußnoten. Gerade im Bereich der Fluggastrechte werden Verbraucherinnen und Verbraucher darin unterstützt, ihren Anspruch auf Entschädigung einzufordern.

Da haben die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion eine sehr kluge Kleine Anfrage zu Legal Techs erarbeitet. Die Antwort der Bundesregierung lautete: Diese Unternehmen sind integraler Bestandteil der Verbraucherpolitik der Bundesregierung. – Das klingt erst einmal gut. Aber besser wäre, wenn die Bundesregierung dem auch tatsächlich gerecht würde. Sie hatten eine einzige Idee, nämlich das Tool des Inkasso-Checks. Das ist ein sinnvolles Projekt, das wir unterstützen. Aber das kann doch nicht alles sein im 21. Jahrhundert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Sie fordern Verbraucherrechte immer nur punktuell, immer nur hier und da. Wir müssen das aber umfassend tun, damit Verbraucher effektiv geschützt werden. Davon ist im Haushaltsplan leider wenig zu sehen, Frau Barley.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Die Legal-Tech-Start-ups können wirklich dabei helfen, dass Verbraucher ihre Rechte in vielen Bereichen erfolgreich geltend machen. Dazu muss die Bundesregierung einfach die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. Ich bitte Sie: Finden Sie zügig kluge, einfache Regeln, die allen Beteiligten gerecht werden, den Start-ups, der Anwaltschaft, vor allem aber den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das wäre im Sinne eines modernen Rechtsstaats.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Sie haben auch etwas zur Digitalisierung gesagt, Frau Barley. Die KI-Strategie der Bundesregierung sagt zu Recht, dass künstliche Intelligenz den Verbraucheralltag erleichtern kann. Ich gebe einmal ein Beispiel. Wir haben es gerade mit dem Betrugsfall P & R zu tun, wo 50 000 Kleinanleger geprellt wurden und ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden ist, weil in Schiffscontainer investiert wurde, die es offensichtlich noch nicht einmal gab. Hier lässt sich die Überlegung anstellen: Können digitale Technologien nicht helfen, einen solchen Betrug rechtzeitig zu erkennen, vielleicht sogar zu verhindern?

Aber ich befürchte angesichts der Strategie der Bundesregierung, dass diese innovative Denkweise bei Ihnen noch nicht vorhanden ist. Wenn man sich die Strategie genau anschaut, dann stellt man fest, dass auf 47 Seiten 31-mal steht, dass Sie prüfen. Ich frage mich, wie lange die Bundesregierung eigentlich noch prüfen will. Fangen Sie doch bitte an, die Chancen der Digitalisierung für den Verbraucherschutz umfassend zu nutzen. Haben Sie auch einmal den Mut, Dinge auszuprobieren. Sie können beispielsweise Experimentierklauseln in die Regulierung einbauen. Sie können Erfahrungen sammeln und nachbessern. Das ist ganz im Sinne eines lernenden Rechtsstaats. Nur wenn sich der Rechtsstaat auch an dieser Stelle konsequent weiterentwickelt, können wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land effektiv schützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)