Rede von Oliver Krischer Energiesicherung

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29.04.2022

Oliver Krischer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang der Woche konnten wir berichten, dass wir bei unserem Bemühen, uns Schritt für Schritt von russischen Energieimporten unabhängig zu machen, ein gutes Stück vorangekommen sind. Die Kohleimporte aus Russland sind schon deutlich reduziert. Der Anteil von Erdöl lag mal bei 35 Prozent; wir sind jetzt auf dem Weg zu 12 Prozent. Der Abschied von russischem Gas – da lag der Anteil bei 55 Prozent; aktuell sind wir bei 35 Prozent – ist noch länger eine Herausforderung; aber daran arbeiten wir.

Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, Effizienzmaßnahmen, um den Verbrauch zu reduzieren. Wir bauen die Erneuerbaren aus. Wir schaffen aber auch neue Infrastruktur, um unseren Bezug zu diversifizieren. Wenn es gut geht, können wir vielleicht schon nächste Woche in Wilhelmshaven mit dem Bau des ersten schwimmenden LNG-Terminals beginnen. Das sind Fortschritte, um sehr konkret und sehr schnell von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es zeigt aber auch: Wir sind noch nicht so weit.

Die Unsicherheit an den Energiemärkten ist riesengroß. Die Preise sind hoch. Es sind Risiken vorhanden. Niemand von uns kann heute sagen, wann und gegen wen Putin Energieimporte als Waffen einsetzen wird – wir haben in dieser Woche im Fall von Polen und Bulgarien erlebt, dass Putin bereit ist, das zu tun –; aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Unsere Politik ist darauf ausgerichtet, dass wir uns für den Fall wappnen, dass sich die Situation zuspitzt. Das zeichnet unsere Politik aus, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

All das ist nichts, was wir uns wünschen können. Wenn wir reale Versorgungsengpässe haben – die haben wir, Gott sei Dank, im Moment noch nicht –, dann wird das gesamtgesellschaftlich zu enormen Einschnitten führen. Dann reden wir über Abschaltungen von Industriezweigen, dann reden wir über die Folgen von Nichtproduktion, dann reden wir über Arbeitslosigkeit, dann reden wir über Menschen, die kein Einkommen haben, die nicht zur Arbeit gehen können, dann reden wir über gestörte Lieferketten, dann reden wir über gestörte Versorgungsstrukturen. Je besser wir vorbereitet sind, je schneller und umfassender wir handeln, desto besser können wir mit der Krise umgehen. Deshalb novellieren wir jetzt das Energiesicherungsgesetz aus den 1970er-Jahren, aus den Zeiten der Ölkrise. Es ist einfach notwendig, dass wir dieses Gesetz ins 21. Jahrhundert bringen; denn die Regeln, die dort niedergeschrieben sind, stammen aus einer Zeit, als es noch kein Internet gab, aber die Sowjetunion. Ich glaube, das allein macht deutlich, dass hier gehandelt werden muss. Wir müssen dieses Gesetz in der aktuellen Krise auf die Höhe der Zeit bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Einer der wichtigsten Punkte dabei ist – es klingt banal; aber wir brauchen sie – eine digitale Plattform für den Bereich Gas. Das Thema Gas wird in diesem Gesetz nicht in der notwendigen Art und Weise adressiert; es ist auf Erdöl zugeschnitten. Wir brauchen jetzt eine digitale Plattform, wo Verbrauch und Einspeisung gesteuert werden können, wo wir eingreifen können, wenn eine Gasmangellage eintritt, um das entsprechend managen zu können. Es ist ganz entscheidend, hierfür eine Rechtsgrundlage zu schaffen.

Wir brauchen weiterhin eine Treuhandverwaltung für Unternehmen, die kritische Infrastrukturen nicht in der Weise betreiben, wie sie betrieben werden müssen. Dass diese Gefahr real ist, haben wir seit dem Ausbruch des Krieges erlebt. Deshalb ist es absolut wichtig, dass wir in dem Gesetz hierfür die Voraussetzungen schaffen. Ich sage auch ganz klar: Als Ultima Ratio muss unter klar benannten und sehr engen Bedingungen auch die Enteignung möglich sein; denn es kann nicht sein, dass jemand, der eine für die Energieversorgung kritische Infrastruktur besitzt und falsch betreibt, unsere Energieversorgung gefährdet. Auch das regeln wir in dem Gesetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen auch eine Regelung zur Preisanpassung, meine Damen und Herren. Wenn Preise kurzfristig steigen, müssen Lieferanten, Unternehmen diese weitergeben können. Wenn sie das nicht können, dann droht der Zusammenbruch von Energieversorgungsunternehmen, dann drohen unter Umständen Kettenreaktionen. Und wenn diese Unternehmen dann nicht mehr da sind, können sie auch nicht ihrem Versorgungsauftrag nachgehen. Auch dafür brauchen wir klare Regeln.

Und wir brauchen bessere Regeln für die Solidarität in der Europäischen Union. Wir arbeiten schon sehr intensiv und sehr eng mit unseren Nachbarn zusammen; aber wir wollen uns natürlich im Fall der Gasmangellage unterstützen. Wir brauchen Regeln dafür, wie wir das gemeinsam schaffen können, und das leistet dieses Gesetz.

Meine Damen und Herren, normalerweise ist es so, dass man sich bei Einbringung und Beschluss eines Gesetzes wünscht, dass es möglichst oft angewendet wird. Ich sage hier sehr deutlich: Wir wünschen uns, dass dieses Gesetz am besten gar nicht angewendet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir wissen: Das sind starke Eingriffe des Staates in den Markt bei den Themen Preise, Treuhand, Enteignung; aber wir müssen für den Ernstfall handlungsfähig sein, und die Gewährleistung der Energiesicherheit ist eine staatliche Aufgabe. Deshalb sollte dieses Gesetz so bald wie möglich in Kraft treten. Ich bitte Sie und appelliere an Sie, es zügig und konstruktiv zu beraten. Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Unterstützung dieses Weges, den wir gehen. Zeigen wir, wie leistungsfähig, effizient und stark unsere Demokratie in dieser Frage ist! Auch das ist unsere Antwort an Putin.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Andreas Jung von der CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner in der Debatte.

(Beifall bei der CDU/CSU)