Rede von Bernhard Herrmann Energieversorgung im Winter 2023/2024

Bernhard Herrmann
09.02.2023

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorausschicken: Wir exportieren gerade nach Polen 1,5 Gigawatt Strom und nach Frankreich knapp 2. Die tägliche Realität sieht anders aus, als gerade beschrieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Antrag der Union lässt sich kurz so zusammenfassen: Die Ampelkoalition möge die mangelhafte alte Energiepolitik ganz schnell beenden und korrigieren. – Ja, das machen wir doch gern,

(Heiterkeit des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

weil uns nämlich Klimaschutz ein echtes Herzensanliegen ist.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Deswegen laufen die Kohlekraftwerke!)

– Herr Spahn, schade, dass Sie zu Ihrem Antrag nichts gesagt haben,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Mensch!)

Sie haben nur Polemik gebracht;

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kohle! Kohle! Kohle!)

ich will das mal nachholen. Da steht: „nicht zielführende oder unverhältnismäßige Anforderungen“ für Erneuerbare sind „zu beseitigen“.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja!)

Um genau diese unnötigen Blockaden aus dem Weg zu räumen, wird im BMWK schon jetzt an drei weiteren Erneuerbaren-Paketen gearbeitet. Sie liegen auch wieder vor. Passen Sie mal auf, was alles passiert! Gucken Sie hin!

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wem liegen die vor? Wem liegen die denn vor?)

– Ganz vielen Leuten.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wem liegen die denn vor?)

Ich glaube Ihnen auch – und das ist gut –, dass die Union jetzt endlich mitmacht auf dem Weg in eine neue, saubere, klimaschonende, zukunftssichere Energiewelt. Trotzdem frage ich mich, warum sich da überhaupt so viele unverhältnismäßige Anforderungen angesammelt haben. Es stammt nicht eine einzige aus der jüngsten Zeit;

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings! Das ist doch mal die Frage!)

nicht eine einzige.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])

Die Union ist janusköpfig, Herr Spahn, doppelgesichtig. Sehr viele hängen noch den Fossilen und der Atomenergie nach.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer lässt denn die Kohlekraftwerke laufen?)

So wird noch immer viel zu oft – gerade bei mir in Sachsen, Herr Spahn; kommen Sie mal zu Besuch und gucken sich das an, was Ihre Kollegen dort machen – der Windkraftausbau verzögert und bei Protest vor Ort nicht kommuniziert; stattdessen wird dieser noch angeheizt. Gerade dieser Winter zeigt doch aber, wie wichtig auch die Windkraft ist.

Aber: Wir kommen trotzdem voran;

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

denn es setzen immer mehr Akteure, gerade in meiner Region, der traditionellen Industrieregion zwischen Freiberg und Zwickau, zwischen Erzgebirge und Leipziger Land, auf Erneuerbare.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei zig Besuchen im letzten Halbjahr bei Menschen, Unternehmen, Regionalversorgern konnte ich beim Zubau von Photovoltaik, jetzt auch bei Wind einen Aufbruch feststellen, den es ansatzweise zuletzt vielleicht vor 12 bis 15 Jahren gab.

Eigene Erneuerbare dämpfen die Kosten. Selbst baulich anspruchsvollere Dächer werden jetzt oft mit Solar belegt. Sie werden sich über die Zahlen wundern, die Sie infrage stellen, bei denen Sie sich herbeiwünschen, dass es nicht vorangeht; diese werden steigen. Das Windrad auf dem Berg nebenan – auch in Sachsen – ist das nächste Ziel; vielfach so erlebt.

Ja, auch an die am besten speicherbaren Erneuerbaren, ans Biogas, müssen wir ran.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ah!)

Einfach immer mehr Geld draufzuschütten, hilft nicht, liebe Union.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Lobbyisten müssen wir nicht bedienen. Flexible Anlagen brauchen wir, die dann stark sind, wenn Strom besonders knapp und teuer ist. Mit mittlerer zweistelliger GW-Leistung, dem Zehnfachen der AKW-Leistung, wäre Biogas dann enorm stark. Machen Sie es richtig!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Stellen wir doch erst mal Kohle ab! Stellen Sie Kohle ab! Kohle abstellen!)

Im Sommer gab es Sorge um diesen Winter. Inzwischen ist aber klar, dass wir es ohne Mangellage schaffen. Die extreme Anspannung auf dem Strommarkt lag auch daran, dass sich in Frankreich mal wieder gezeigt hat, wie vollkommen unzuverlässig Atomkraft ist.

(Beifall der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD] – Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Durch die Probleme der AKWs waren die Strompreise in Frankreich 25 bis 30 Prozent höher als in Deutschland mit unserem günstigen Windstrom.

(Beifall der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])

Unbehelligt davon aber wollen Sie nun erneut in Atomenergie einsteigen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kohle!)

Das ist keine Laufzeitverlängerung, was Sie dort planen; das ist ein Wiedereinstieg.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Unflexible Atomenergie aber passt nicht zu volatilen Erneuerbaren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Über solchen Unsinn schütteln alle technisch beschlagenen Menschen nur den Kopf.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Karsten Hilse [AfD]: Die technisch beschlagenen Menschen bei den Grünen! – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Alle, die etwas systemlogisch denken können, fragen sich, wie man so was zusammenbasteln kann. Es zeigt sich spätestens an dieser Stelle im Antragstext, dass die Union den Erneuerbaren doch nicht so wohlgesonnen ist.

Atomkraft führt schon jetzt zu immer mehr Abschaltung bei Erneuerbaren. Wir brauchen sie schlichtweg nicht,

(Karsten Hilse [AfD]: Wir brauchen die Erneuerbaren nicht! Die sogenannten Erneuerbaren!)

um die Energieversorgung zu sichern. Die Koalition hat viel getan, um die Energiekrise zu meistern: LNG-Terminals, Gasspeicher voll, Ölversorgung auch in Ostdeutschland gesichert,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Kohle! Kohle! Vergessen Sie nicht die Kohle! Kohlekraftwerke!)

Energiepreise eingedämmt, höhere Auslastung der Stromnetze und ein beschleunigter Neubau bei Wind- und Solarenergie.

Die Energieversorgung ist sicher. Die Scheindebatte um Atomkraft ist beendet. Jetzt beschleunigen wir die Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare, schützen so das Klima und senken die Preise.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Michael Kruse [FDP] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Weiß Herr Kruse davon? – Karsten Hilse [AfD]: Nie wieder Sozialismus!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Ralph Lenkert das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)