Rede von Ottmar von Holtz Entwicklungszusammenarbeit im Mittelmeerraum

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11.12.2019

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass wir uns über die Zukunft des Mittelmeerraums Gedanken machen müssen, ist natürlich völlig richtig. Aber, Herr Stein und Frau Ziegler, ganz ehrlich, Ihr Antrag ist hierfür, glaube ich, nicht sehr gut geeignet. Diesen Antrag kann die Bundesregierung so gar nicht umsetzen. Überall bleiben Sie an der Oberfläche, reißen die Themen nur an, und überall hängt ein Zettel des Finanzierungsvorbehalts dran. Dabei ist eigentlich entscheidend, was hinter Ihren vagen Ausführungen steht und wie das finanziert werden kann. Beim Lesen des Antrags bleiben viele offene Fragen. Ich möchte zwei Beispiele nennen.

In Forderungspunkt 10 sagen Sie, dass Sie alle vorhandenen Maßnahmen und Mittel dahin gehend überprüfen wollen, ob sie zuallererst geeignet seien, nachhaltige Lebensperspektiven vor Ort zu schaffen. Was heißt denn das genau? Welche Mittel? Meinen Sie damit die Sonderinitiativen? Können wir damit rechnen, dass das eine Abkehr von der Politik ist, mit Sonderinitiativen Flucht und Migration zu bekämpfen?

Oder Forderungspunkt 12. Sie wollen Wirtschaftspartnerschaften. Wie stellen Sie sich diese vor? Um zu wissen, ob wir Ihnen folgen können, müssten wir das wissen. Sie reden einfach von Wirtschaftspartnerschaften, ohne in die Tiefe zu gehen.

Es sind 22 Forderungspunkte, die alle genug Stoff bieten, um einen eigenständigen Antrag bilden zu können. Dann würde man ins Detail gehen. Dann würde es auch spannend werden. Dann könnten wir darüber sprechen, ob wir dem folgen können oder nicht. Gerade mit Blick auf die Instabilität in der Region fehlen aus unserer Sicht im Antrag ein paar wesentliche Punkte. Bisherige sogenannte Hilfsprogramme mit dem Fokus auf Migration und Terrorismus gehen nämlich völlig am Bedarf vorbei. Wir müssen endlich an die Ursachen ran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])

Das sind unter anderem schlechte Rahmenbedingungen für die Menschen vor Ort und schlechte Regierungsführung. Reine Symptombekämpfung, wie sie mit den Sonderinitiativen betrieben wird, bringt uns nicht weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege, aus den Reihen der FDP-Fraktion?

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Bitte, Herr Hoffmann.

(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Opposition fragt Opposition!)

Dr. Christoph Hoffmann (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege von Holtz, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade von der Stabilität des Mittelmeerraumes gesprochen und davon, dass es eine wichtige Rahmenbedingung sein müsse, Stabilität in diesem Raum zu haben. Wie ist denn Ihre Auffassung bezüglich der Stabilität in Libyen? Was macht die Große Koalition, was macht diese Bundesregierung strategisch, um diesen Raum zu sichern? Wir haben gerade die Ankündigung von Herrn Erdogan gehört, dass er Truppen in diese Region schicken will, dass er bereit ist, sich hier einzusetzen. Ist die Bundesrepublik dazu bereit? Wie ist Ihre Einschätzung dazu? Ist die EU bereit, da etwas zu tun? Was ist Ihre Einschätzung?

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir wissen, dass die EU in Bezug auf Libyen leider nicht mit einer Stimme spricht. Ich glaube, wichtig ist, dass wir sowohl in Libyen – da ist es schwierig; das gebe ich zu – als auch anderswo lokale Friedensstifter, lokale Menschenrechtsorganisationen mit allen diplomatischen, die zivile Krisenprävention betreffenden Mitteln, die wir zur Verfügung haben, unterstützen müssen, um Stabilität zustande zu bringen. Es geht mir aber nicht nur um Libyen, sondern auch um alle anderen Anrainerstaaten des Mittelmeers. Das ist genau das Problem, das wir haben: Wir sollten weniger Symptome bekämpfen oder Fluchtwege zu schließen trachten; vielmehr sollten wir uns vor Ort die Rahmenbedingungen anschauen und dort ansetzen.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist genau unser Antrag!)

Lokale Friedensstifter, Frauen vor allen Dingen, aber auch andere marginalisierte Gruppen sind diejenigen, die wir bei der bisherigen Politik leicht aus dem Blick verlieren. Wir dürfen nicht am Ende die belohnen – das tun wir womöglich in Libyen –, die für die schlechte Regierungsführung verantwortlich sind.

Aber wo bleibt die Afrikanische Union, und wo bleiben die lokalen Wirtschaftsräume? Grenzüberschreitende Herausforderungen, finde ich, müssen wir auch grenzüberschreitend unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Afrikanische Union erwähnen Sie in Ihrem Antrag nicht ein einziges Mal. Die zivile Krisenforschung erklärt uns schon seit Jahrzehnten, wie die Ansätze aussehen müssten und wer geeignete Partner vor Ort sind. Es gibt nämlich durchaus Ansätze, was wir ändern können. Ein Beispiel: Durch die langfristige Ausstattung ziviler Projektpartner können wir es schaffen, vor Ort wirklich verlässliche Friedenskapazitäten dauerhaft einzurichten. Mit der derzeitigen einjährigen Projektfinanzierung ist das nicht möglich.

Ihrem Antrag fehlt vor allen Dingen eine kohärente Strategie, die die Agenda 2030, die Nachhaltigkeitsziele, die Agenda 2063 der Afrikanischen Union und das Pariser Klimaabkommen mit Friedensbedarfen übereinbringt. Das vermissen wir, und das wäre dringend erforderlich. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Auch schade!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: der Kollege Dr. Wolfgang Stefinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)