Rede von Katharina Beck Erbschaftsteuer

Katharina Beck MdB
22.06.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir diskutieren heute zwei Anträge zur Erbschaftsteuer. Doch bevor ich auf diese eingehe, ist es mir wichtig, in dieser von Mythen und geschürten Ängsten geprägten Debatte für ein wenig Aufklärung zu sorgen. Die Debatte über die Erbschaft- und Schenkungsteuer – denn es geht um beides – ist auch aus meiner Sicht durchaus relevant. Warum? Weil diese Steuer bei richtiger Ausgestaltung ein geeignetes Instrument sein könnte, um die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland abzudämpfen und damit vor allem einen Beitrag zum demokratischen Zusammenhalt zu leisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das vermögendste 1 Prozent in Deutschland hat mehr Vermögen als 90 Prozent der Menschen zusammen. Schon den Verfassern der bayerischen Verfassung war klar, dass dies keine wünschenswerte Situation sein kann. So heißt es dort wörtlich – Zitat –:

Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.

Eine zu hohe Ungleichverteilung trägt leider zu einer Vertrauenserosion und zu einem Auseinanderdriften der Gesellschaft bei. Nachgewiesenermaßen führt eine ungleiche Vermögensverteilung zu negativen Konsequenzen wie höherem Drogenkonsum, einer höheren Kriminalitätsrate, schlechterer Bildung, mehr psychischen Erkrankungen und allgemein zu einer schlechteren Gesundheit und geringeren Lebenserwartung für die Menschen.

Leider ist in kaum einem Land in der EU die Ungleichverteilung höher, das Vermögen stärker konzentriert als in Deutschland. Durch extreme Steuerausnahmen, insbesondere bei sehr hohen Erbschaften, zementiert sich dieser Zustand. Das hängt zusammen; denn nur Vermögen kann vererbt werden. Daher wundert es auch nicht, dass für die Mehrheit der Menschen in Deutschland, circa 60 bis 70 Prozent, Erben gar kein Thema ist; denn sie werden in ihrem Leben überhaupt keine nennenswerte Erbschaft erhalten. Sie erhalten nie ein leistungsloses Einkommen geschenkt oder vererbt. Wenn man sich nur noch durch Erben eine Wohnung oder eine eigene Immobilie ermöglichen kann und nicht mehr durch seine eigene Leistung, dann haben wir ein gesellschaftliches Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das meiste private Vermögen wird durch Erbschaften oder Schenkungen generiert und damit qua Geburt, qua zufälligem Privileg und nicht durch die eigene Anstrengung. Das widerspricht schlichtweg dem Leistungsprinzip.

(Kay Gottschalk [AfD]: Leistungsprinzip! Hört! Hört!)

Wer viel erhält, zahlt ungerechterweise deutlich weniger Steuern als derjenige, der wenig erhält. Es wäre sehr unlogisch, zu sagen, dass es keinen Handlungsbedarf gebe. Das sieht sogar das Verfassungsgericht immer wieder kritisch bezüglich der großen Ausnahmen, die es nach wie vor in der Erbschaftsteuer gibt.

Bei Schenkungen und Erbschaften darf man sich ehrlich fragen: Ist es gerecht, dass derjenige, der sehr hohe Erbschaften erhält, am Ende weniger bezahlt, dass besonders hohe Erbschaften ab 26 Millionen Euro komplett steuerfrei gestellt werden können und fast immer werden?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Irre! – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt aber langsam!)

Und ist es gerecht, dass wir uns als Staat mit über 5 Milliarden Euro die größte Steuersubvention für Ausnahmen von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer leisten? Ich denke, nicht. Mit 75 Prozent ist laut einer Bertelsmann-Studie aus dem letzten Jahr auch eine sehr große Mehrheit der Deutschen dafür, dass sich die Ungleichheit zwischen Arm und Reich verringert.

Mit einem aktuell auch wieder zu hörenden Mythos möchte ich bei dieser Gelegenheit ein für alle Mal aufräumen. Ständig wird behauptet, die Erbschaftsteuer bedrohe Omas Häuschen, und nachfolgende Generationen seien zum Verkauf gezwungen, obwohl sie doch so gerne darin wohnen würden. So sagte kürzlich Herr Söder, es gebe einen „Ausverkauf der Heimat“. Hier will einfach jemand Ängste schüren und offensichtlich seine politische Verantwortung nicht wahrnehmen. Die Behauptung ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn ein Haus in der Familie vererbt wird, dann fällt darauf, wenn es weiterhin von Ehegatten und Ehegattinnen oder Kindern bewohnt wird, in der Regel gar keine Steuer an.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das bedingt, dass die Kinder zu Hause bleiben!)

On top kommen noch die steuerlichen Freibeträge von bis zu 500 000 Euro,

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Wenn das Haus 200 Quadratmeter hat, gibt es gar nichts!)

also eine halbe Million Euro pro Person. Der Mythos vom Verkauf von Omas Häuschen stimmt einfach nicht,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

ganz abgesehen davon, dass die meisten Omas überhaupt kein Häuschen zum Vererben haben, wie wir daran sehen, dass circa zwei Drittel der Deutschen gar nicht nennenswert erben.

Nun zu Ihren zwei Anträgen. Die AfD will die Steuer ganz abschaffen, was mit Hinblick auf die Demokratieerosion sicher Ihnen als Partei zugutekäme, aber ganz bestimmt nicht unserem Land.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Was ein Geschwafel!)

Die Linke hingegen bringt zum Beispiel Stundungen bei großen Erbschaften in die Debatte. Das ist eine gute Idee, die auch wir diskutieren. Aber Ihr Antrag, in dem auf gerade einmal vier Zeilen ein lapidarer Auftrag an die Bundesregierung formuliert wird, ist unausgegoren und einfach nicht beschlussfähig.

(Zuruf von der LINKEN)

Ich erzähle niemandem etwas Neues, wenn ich sage, dass es in dieser Koalition für eine Reform der Erbschaftsteuer bisher keine Übereinstimmung gibt. Nichtsdestoweniger ist mir wichtig, dass wir auch in der Ampel und gerne auch gemeinsam mit der christlichen Union und der Linken die Debatte rund um die Ungleichheit in unserem Land aus der Tabuecke in eine Gestaltungsecke bringen. Die Chancen für die Demokratie sind hoch. Ich möchte hier in der Zukunft gemeinsam einen guten Weg für mehr demokratischen Zusammenhalt miteinander finden.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)