Rede von Katharina Beck Erbschaftsteuer

Katharina Beck MdB
30.11.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt muss ich doch was zum AfD-Antrag sagen. Erstens. Die AfD will die Erbschaftsteuer einfach abschaffen. 11 Milliarden Euro bringt die Erbschaftsteuer heute, so wie sie ausgestaltet ist. 11 Milliarden Euro seien, behauptet die AfD, für die Länderhaushalte vernachlässigbar.

(Kay Gottschalk [AfD]: Behaupten wir nicht!)

– Es steht das Wort „vernachlässigbar“ in Ihrem Antrag. – Das heißt also, die AfD möchte gerne die Länderhaushalte schwächen, und damit möchte sie die Bildung schwächen, die Infrastruktur in unserem Land schwächen. Ich finde, dass das hier alle wissen sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Zweitens. Sie haben uns gerade vorgeworfen, Herr Kollege Gottschalk, dass wir hier nichts für die Vermögensbildung tun würden. Ich weiß nicht, wo Sie in den letzten Wochen waren,

(Kay Gottschalk [AfD]: Beim Wachstumschancengesetz!)

aber wir waren im Finanzausschuss mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz beschäftigt, das am letzten Freitag auch im Bundesrat beschlossen wurde. Dieses Gesetz sieht eine massive Ausweitung der Arbeitnehmersparzulage vor, wodurch der Staat den unteren und mittleren Einkommensschichten hilft, Vermögen aufzubauen. Diese Maßnahme kommt 13 Millionen Menschen mehr zugute. Dieses Gesetz ist jetzt beschlossen.

(Kay Gottschalk [AfD]: Erst nehmen Sie, und dann geben Sie!)

Auch das sollten die Bürgerinnen und Bürger wissen, nämlich dass es uns sehr stark am Herzen liegt und ein Anliegen unserer Politik ist, gerade in Zeiten von Inflation, auch den unteren und mittleren Einkommensschichten definitiv Unterstützung zu geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu Ihrem Antrag, lieber Herr Görke, liebe Fraktion Die Linke. Noch mal danke dafür, dass Sie hier das wichtige Thema der Vermögensungleichverteilung einbringen. Im Ausschuss gab es ein gewisses Schmunzeln darüber, wenn ich das so benennen darf, dass Sie aufzeigen, dass es dazu in der Ampel unterschiedliche Positionen gibt. Es ist, glaube ich, überhaupt kein Geheimnis, dass wir als Grüne uns eine Reform vorstellen können.

Dass wir über Themen, die Sie benennen, wie Stundungen beim Betriebsvermögen und andere Regelungen, nachdenken, das ist total klar und offensichtlich. Aber das, was Sie hier fordern, nämlich alle Paragrafen, alle Sonderbehandlungen betreffend Betriebsvermögen zu streichen – da ist am Argument Mittelstandsschutz eben durchaus etwas dran –, das geht halt einfach nicht, zumal nicht so lapidar, wie Sie das vorschlagen.

Also, wenn man da eine Reform machen möchte – diese würden wir machen wollen, sind aber eben, wie gesagt, in einer Koalition –, dann müsste sie aber so ausgestaltet sein, dass sie Betriebsvermögen wirklich anders angeht. Denn tatsächlich haben die Menschen, wenn sie erben, nicht sofort die Liquidität. Deswegen muss man da mit großzügigen Stundungsregelungen arbeiten und kann nicht alle Sonderbehandlungen dieser Vermögensarten einfach so ausschütten.

Worum es mir beim Stichwort „Erben und Vermögen“ besonders geht, ist das Thema „gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie“. Wir haben es gerade schon gehört – Tim Klüssendorf hatte das erwähnt –, dass Deutschland im OECD-Vergleich, also unter sehr vielen Ländern, mit die größte Vermögensungleichverteilung hat.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das stimmt gar nicht! – Gegenruf des Abg. Tim Klüssendorf [SPD]: Natürlich stimmt das!)

Das heißt: In den Händen von ganz wenigen Menschen befindet sich unfassbar viel Vermögen, und in den Händen von ganz vielen Menschen befindet sich fast keins. In Deutschland haben 1 Prozent der vermögendsten Menschen mehr als 90 Prozent des Rests der Bevölkerung. Nachgewiesenermaßen führt eine ungleiche Vermögensverteilung leider zu negativen Konsequenzen für unsere Gesellschaft wie höheren Drogenkonsum,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

höhere Kriminalitätsrate, schlechtere Bildung, mehr psychische Erkrankungen und sogar schlechtere Gesundheit. Deswegen darf und kann uns das Thema Ungleichverteilung nicht kaltlassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen steht auch in Artikel 123 der bayerischen Verfassung – lieber Herr Brehm, ich weiß, dass Sie in Bayern auch gewisse Präferenzen bei der Erbschaftsteuer haben, also diese nicht so befürworten –:

„Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“

Ich glaube, den Verfassungsmüttern und -vätern waren schon damals, bevor es diese Studien gab, die negativen Auswirkungen einer extremen Ungleichbehandlung sehr klar.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Es ging um Bildungsgerechtigkeit damals bei der Einführung der Erbschaftsteuer!)

Es geht nicht um Gleichmacherei; es geht einfach um eine extreme Ungleichverteilung. Ihnen war klar: Diese Konzentration in den Händen Einzelner, das ist für das gesellschaftliche Klima Gift.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte bitte noch mit einem Mythos aufräumen,

(Kay Gottschalk [AfD]: Bürgerkrieg in Norwegen!)

mit dem Mythos, der gerade auch in Bayern sehr verbreitet ist, dass alle an Omas Häuschen ranwollten, wenn es darum geht, die Erbschaftsteuer zu reformieren. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland wären von einer Erbschaftsteuerreform gar nicht betroffen. Und für die restlichen gilt: Wenn man dann in Omas Häuschen wohnen bleibt

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Zehn Jahre!)

oder auch im Häuschen einer verwandten Person, dann ist das komplett steuerfrei.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Stimmt gar nicht! Nur beim Erbfall und nicht bei der Schenkung!)

On top gibt es noch Freibeträge von bis zu 500 000 Euro,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Man sollte die Fakten auch nennen! Meine Güte!)

die sich bei Schenkungen sogar alle zehn Jahre erneuern lassen. Also, es ist sehr wichtig, dass man diesem Mythos mal den Stachel zieht.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber mit Fakten und nicht mit Falschaussagen!)

Es ist mitnichten so, dass hier Menschen ihr geerbtes Häuschen weggenommen wird, und das ist wichtig zu betonen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite Mythos, mit dem ich aufräumen möchte, ist: Wer viel erbt, zahlt auch mehr Steuern. So sind die Steuersätze eigentlich angesetzt. Aber das Problem ist, dass unter anderem wegen der ganzen Ausnahmen derjenige, der viel erbt, fast gar nichts zahlt. Wer über 26 Millionen Euro erbt, zahlt meistens praktisch nichts.

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist völliger Quatsch! Mensch, Mensch, Mensch! Fragt doch mal den Finanzminister! Der sitzt da drüben!)

Wer ganz wenig erbt, zahlt wegen der Freibeträge auch nichts; das ist auch ganz wichtig. Aber wer mittelviel erbt, zahlt prozentual mehr Erbschaftsteuer. Die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer ist so, wie sie heute ist, schlecht.

Deswegen befürworten wir auch eine Reform. Wir wissen, dass das in unserer politischen Konstellation in der Ampel gerade nicht möglich ist. Aber es ist wichtig, dass dann, wenn es eine Reform gibt, dafür gesorgt wird, dass es diejenigen, die viel erben, mehr trifft, und dass dort, wo es um Betriebsvermögen geht, zur Schonung des Mittelstands mit Stundungsregeln gearbeitet wird. Aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es wichtig, das Thema Vermögensungleichverteilung anzugehen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Da klatscht noch nicht mal die FDP!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Christian Görke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Da klatsche ich mit!)