10.06.2021

Dr. Bettina Hoffmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist höchste Zeit, dass wir die Mantelverordnung heute beschließen. Seit mehr als 15 Jahren läuft die Debatte über dieses wichtige Vorhaben. Jetzt müssen wir in die Umsetzung kommen.

Bauschutt ist der größte Abfallstrom in Deutschland. Jedes Jahr fallen 220 Millionen Tonnen an. Hinzu kommen 55 Millionen Tonnen an industriellen Nebenprodukten wie Schlacken. Darin steckt ein riesiges Potenzial für das Recycling. Dieses Potenzial müssen wir heben. Die Mantelverordnung ist dafür ein erster Schritt: Sie beendet den Flickenteppich aus einzelnen landespolitischen Regeln und schafft einen einheitlichen und verlässlichen Rahmen. Darauf musste die Industrie viel zu lange warten.

Die Verordnung ist ein Kompromiss zwischen der Förderung des Baustoffrecyclings und dem Schutz von Boden und Grundwasser. Das wird die Akzeptanz für den Einsatz von Ersatzbaustoffen stärken und hilft, einen gemeinsamen Markt zu schaffen. Aber es ist völlig paradox, dass der Verordnungstext jetzt eine Länderöffnungsklausel für die Verfüllung von Bauschutt enthält. Der einheitliche Rechtsrahmen wird gleich wieder torpediert. Diese Klausel verdanken wir Bauminister Horst Seehofer – in seiner Funktion als oberster Lobbyist der bayerischen Bauwirtschaft. Mit dieser vermeintlichen „Bayern first“-Strategie erweist die CSU dem Baustoffrecycling und Naturschutz in ihrem Heimatland einen Bärendienst. Die Sachverständigen haben es in der öffentlichen Anhörung klipp und klar gesagt: Die gerade in Bayern überdurchschnittlich oft praktizierte Verfüllung verhindert Recycling. Es ist gut, dass alle anderen Bundesländer die Öffnungsklausel nicht nutzen wollen. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung steht eine Evaluierung der Stoffströme an. Auch die Länderöffnungsklausel gehört dann auf den Prüfstand.

Klar ist auch: Die Mantelverordnung kann nur der Anfang sein für den Weg der Bauwirtschaft in eine umfassende Kreislaufwirtschaft; denn der heutige Ressourcenverbrauch im Bausektor ist eindeutig zu hoch und heizt damit auch die Klimakrise immer weiter an. 40 Prozent der CO2-Emissionen entstehen im Gebäudesektor: beim Bauen, beim Betreiben, aber auch beim Abriss von Gebäuden. Deshalb brauchen wir jetzt eine echte Bauwende. Das heißt zum Beispiel, mehr und hochwertigere Recyclingbaustoffe in Gebäuden zu verbauen und eine komplett neue Planungskultur nach dem Motto „Umnutzung statt Neubau“ zu praktizieren. In einem leeren Bürogebäude könnten beispielsweise neue Wohnungen entstehen, ohne zusätzliche Ressourcen zu verbrauchen. Die Große Koalition ist hier kein Stück vorangekommen. Wir werden das in der kommenden Bundesregierung anpacken.