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13.01.2021

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wäre genau zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte des Hauses zu Terminen auf der Internationalen Grünen Woche unterwegs: die Agrarleute, die Ernährungsleute, die Umweltleute. Und alle würden ganz engagiert diskutieren über die Frage, wohin die Reise gehen soll. Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt, über den Wandel zu diskutieren, darüber, ob wir wirklich gut aufgestellt sind dafür, in der Agrarpolitik neue Wege zu gehen, indem wir endlich auch Probleme lösen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben doch im letzten Jahr eines gemerkt, nämlich dass die Verbindung zu anderen Menschen für uns wichtiger ist, als wir bisher dachten, und dass wir als Menschen auch nur Teil der Natur sind, meine Damen und Herren. Und wenn wir in sie massiv eingreifen, schlägt sie, so könnte man fast sagen, zurück. Wir setzen uns Risiken aus. Damit meine ich nicht nur Corona, sondern auch die Folgen für das Klima und den massiven Verlust an Artenvielfalt, meine Damen und Herren. Jetzt ist wirklich der Zeitpunkt, das agrarindustrielle Modell zu beenden, die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur zu beenden und einen neuen Weg zu gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist es denn sonst, wenn nicht Ausbeutung, wenn wir feststellen, dass wir heutzutage an die 75 Prozent Artenverlust haben, meine Damen und Herren?

Wir haben uns ja ein paar Regeln gegeben, zum Beispiel mit dem Pariser Abkommen. Das ist der große Kompromiss zu der Frage, was wir im Bereich Klimaschutz tun müssen. Wir müssen auf den Weg zum 1,5-Grad-Ziel kommen, meine Damen und Herren. Und mit relativ, ich sage mal, mittelgroßen Maßnahmen hat die Kommission Vorschläge gemacht: mit dem Green Deal, mit der Farm-to-Fork-Strategie, mit der Biodiversitätsstrategie. Ja, aber dann müssen wir auch – ich spreche an der Stelle Alois Gerig an, der ja gesagt hat, wir brauchen einen ganzen Werkzeugkasten – das notwendige Werkzeug in diesen Werkzeugkasten tun und nicht nur einen Schraubenschlüssel kleinster Größe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oder einen Zollstock! Wo ist der denn?)

Das ist doch genau der Mangel: dass wir da nicht ausgerüstet sind, Herr Kollege.

Natürlich sagen Sie dann wieder: Ach, die Grünen wollen irgendwas verbieten oder reden die Welt schlecht. – Ich kann Ihnen da nur mit einem alten Indianerspruch antworten: Wenn du merkst, du reitest ein totes Pferd, steig ab – im doppelten Sinne des Wortes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Spiering [SPD]: Och, das habe ich vor vier Jahren schon gehört!)

– Der Satz ist noch älter.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Man soll auch nicht länger reden, als man auf einem Bein stehen kann, sagen die Indianer!)

Meine Damen und Herren, wir haben die Aufgabe, anhand von Fakten Politik zu machen. Und das heißt jetzt, Zukunft für die Landwirtschaft zu organisieren. Wenn im Frühjahr das Saatgut nicht keimt, weil kein Wasser da ist, dann ist das keine Zukunft – drei Jahre Dürre, meine Damen und Herren! Wenn die Tierhaltung keine Akzeptanz mehr in der Bevölkerung hat, dann ist das auch keine Zukunft. Wir müssen zu einer anderen Tierhaltung kommen – das ist natürlich zu honorieren –, aber eben auch Tierzahlen reduzieren. Immer weniger Tiere immer besser halten, meine Damen und Herren, das ist die Devise.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen nicht um wirklich große Veränderungen herum: die Reduktion der Pestizide und der Antibiotika – resistente Keime sind ein Gesundheitsproblem, meine Damen und Herren – sowie ein Hochfahren des Ökolandbaus. Und deshalb plädieren wir dafür, jetzt wirklich einen Umbau in zwei Etappen zu machen: Lassen Sie uns diese GAP-Periode und die nächste nutzen, um zu einer 100-Prozent-Gemeinwohlprämie zu kommen! Lassen Sie uns aus den Direktzahlungen aussteigen und die Landwirte tatsächlich in den Wettbewerb treten, egal ob konventionell oder öko! Sie haben die Möglichkeit, für ökologische Maßnahmen mit einem hohen Stand Punkte zu bekommen. Das sorgt für Planbarkeit und Berechenbarkeit. Das hilft uns beim Schutz von Boden, Wasser, Luft, beim Klima und bei der Artenvielfalt. Das sind die Grundlagen für die Landwirtschaft und nicht kurzfristige Zahlsysteme, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und lassen Sie uns bitte eines tun – wir haben in unserem Antrag die Details ausgeführt –: die Dinge endlich zusammendenken. Ich glaube, dass eines unmöglich ist: dass wir zum Ende der Legislaturperiode zwar eine Zukunftskommission haben, aber die Zukunftskommission sich nicht um die GAP-Reform kümmern soll.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, die Redezeit.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Letzter Satz. – Die GAP-Leute warten auf den Zukunftsbereich. Dann haben wir noch die Borchert-Kommission, um die sich auch alle nicht kümmern sollen, wo nichts zusammenpasst.

(Hermann Färber [CDU/CSU]: Und noch die Grünen!)

Meine Damen und Herren, wir lassen uns nicht unter Zeitdruck setzen.

(Reinhard Houben [FDP]: War das ein Satz? Das war mehr als ein Satz!)

Agrar und Umwelt haben ein Recht, mitzureden. Agrar, Umwelt und globale Gerechtigkeit zusammen diskutieren und den Bauern wirklich reinen Wein einschenken – also ein neues System. Das ist die Zukunft und nicht Rumwurschteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

So, nach diesen vielen letzten Sätzen hat jetzt das Wort die Bundesministerin Julia Klöckner.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)