Rede von Dr. Danyal Bayaz EU-Prospektverordnung und Finanzmarkt

07.06.2018

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen es, dass bei dieser Prospektpflicht jetzt auch einige unnötige bürokratische Anforderungen wegfallen. Das hilft ja nicht nur kleineren und mittleren Unternehmen; es hilft eben auch Verbraucherinnen und Verbrauchern gerade aus dem Kleinanlegerbereich, dass sie sich jetzt mit verständlichen Informationsblättern – und die gibt es durchaus auf dem Markt, Herr Schäffler – besser über ihre Geldanlage informieren können. Ich finde, da zeigt auch der vorliegende Gesetzentwurf, dass Bürokratieabbau einerseits und Verbraucherschutz andererseits durchaus zusammengehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ja, auch die Frage muss man einmal stellen dürfen: Wem haben wir denn diesen Impuls zu verdanken? Der Europäischen Union, meine Damen und Herren, und ich glaube, es gilt gerade in so Euro-skeptischen Zeiten wie jetzt, auch das an dieser Stelle einmal zu betonen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber es gibt keinen Grund für übertriebene Zufriedenheit. Wir müssen bei der Regulierung von Finanzmarktprodukten durchaus weitere Schritte gehen. Für mich persönlich sind drei Schritte wichtig.

Erstens. Der gut informierte Verbraucher sollte stets unser Leitbild sein, und das mit möglichst wenig Überforderung. Es macht einen Unterschied, ob ich einen 60-Seiten-Prospekt mit dem Charme von AGBs lesen muss oder ob ich einen wesentlichen Überblick über Produkt- und Risikomerkmale für ein Investment habe und das sozusagen auf einen Blick sehen kann.

Ich finde, Kleinanleger sollten zu jedem Finanzprodukt ein vergleichbares Informationsblatt haben, egal ob sie in Schiffscontainer, Windparks oder Start-ups investieren. Das ist heute noch nicht so der Fall. Es gibt ja durchaus Unterschiede zwischen dem Basisinformationsblatt für sogenannte verpackte Produkte – Lebensversicherungen und Zertifikate gehören dazu – und auf der anderen Seite Wertpapierinformationsblättern. Das erschwert Anlegern den Vergleich. Übrigens: Auch hier gibt es eine gute europäische Orientierungshilfe, das sogenannte PRIIPS Key Information Document, ein kurzes Dokument mit den wichtigsten Informationen auf einen Blick. Mehr Standardisierung, mehr Vergleichbarkeit gerade auf europäischer Ebene, das würde uns an dieser Stelle helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Mein zweiter Punkt – darauf ist noch keiner meiner Vorrednerinnen und Vorredner eingegangen; er ist trotzdem, glaube ich, immens wichtig –: Wir müssen noch konsequenter ökologische und soziale Nachhaltigkeit mitdenken, auch bei Finanzmarktprodukten. Auch an dieser Stelle ist Europa weiter als die Bundesrepublik. Die eben angesprochene PRIIPS-Verordnung ermöglicht ausdrücklich die Aufnahme von Nachhaltigkeitskriterien, und das ist auch richtig so. Viele Menschen da draußen wollen sichergehen, dass ihr Geld nicht mehr Natur zerstört, nicht mehr Waffen produziert, nicht mehr in unmenschliche Arbeitsbedingungen fließt. Ich finde, aus dieser Nische ist wirklich ein Trend geworden. Egal ob man sich Versicherungen, Banken oder Fintechs anschaut, immer mehr Anbieter ziehen sich zum Beispiel aus der Finanzierung fossiler Energieträger zurück. Und deswegen haben wir auch eine klare Forderung an die Bundesregierung an dieser Stelle: Hören Sie auf, Green Finance und die globale Divestment-Bewegung zu ignorieren! Im Gegenteil: Stärken Sie sie! Nehmen Sie also bitte auch ökologische und soziale Kriterien in das Basis­informationsblatt auf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das passiert ja!)

Und drittens. Anlageprodukte werden komplizierter. Die Digitalisierung beschleunigt diesen Prozess, Stichwort „Kryptowährung“. Auch da müssen jetzt Politik und Aufsichtsbehörden reagieren, zum einen auch um hier Anlegerschutz zu gewährleisten, zum anderen aber auch, um die Chance neuer Technologien zu nutzen. Ich finde es gut, dass es durch ICOs, also durch die Emission von neuen Unternehmensanteilen in sogenannten Kryptoassets, jetzt auch Alternativen zur Finanzierung neuer, innovativer Geschäftsmodelle gibt. 2016 war das noch ein kleiner Markt; 100 Millionen Dollar schätzt man. Letztes Jahr waren es über 6 Milliarden Dollar, und dieser Markt wächst gigantisch weiter. Aber natürlich hat dieser Trend auch zwei Seiten. Viele der virtuellen Börsengänge über ICOs scheitern. Außerdem gibt es neben vielen seriösen Unternehmen durchaus betrügerische Projekte. Für diesen jungen, noch weitgehend unregulierten Markt brauchen wir klare, verlässliche Regeln, und zwar am besten mit möglichst wenig Bürokratie, aber mit einfachem und glasklarem Anlegerschutz. Da muss die Bundesregierung, glaube ich, einen Zahn zulegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Junge Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher warten auf sie. Ich hoffe, dass Sie sie nicht hängen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)