19.11.2020

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 13. November, dem fünften Jahrestag der Terroranschläge von Paris, haben wir der Opfer gedacht. Neben Kalaschnikow-Gewehren trugen die islamistischen Attentäter selbstgefertigte Sprengwesten. Diese stellten sie mithilfe von Wasserstoffperoxid her; einer Chemikalie, die zur Reinigung von Flächen oder zum Färben von Haaren verwendet werden kann, also für völlig banale Dinge eingesetzt wird.

Die Liste von Anschlagsversuchen und Anschlägen mit selbsthergestellten Sprengsätzen aus solch frei verfügbaren Ausgangsstoffen für Explosivstoffe ist lang. Auch in Deutschland werden immer wieder entsprechende Chemikalien oder funktionsfähige Sprengsätze bei polizeilichen Durchsuchungen gefunden.

So tötete sich ein islamistischer Terrorist bei einem Anschlag in Ansbach mit einer entsprechenden Bombe selbst und verletzte 15 weitere Menschen schwer. Der rechtsextreme und antisemitische Täter von Halle führte mehrere Kilo selbsthergestellter Sprengsätze mit sich. Auch hier wurde Wasserstoffperoxid verwendet! Auch bei Anschlägen gegen Unterkünfte von Geflüchteten werden immer wieder sogenannte unkonventionelle Sprengvorrichtungen verwendet.

Unsere Fraktion hat bereits im Jahr 2016 einen Antrag in diesem Haus vorgelegt, der die Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangstoffen beschränken und einen Missbrauch erschweren soll. Mit Nachdruck haben wir immer wieder auf die Gefahr dieser Stoffe hingewiesen!

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt europäisches in nationales Recht um. Kern des Gesetzentwurfes ist die Einführung von Kontaktstellen zur Meldung von verdächtigen Transaktionen oder dem Abhandenkommen von entsprechenden Stoffen. Eine Maßnahme, die wir ausdrücklich begrüßen!

Fraglich ist nur, ob dieser Mechanismus am Ende wirklich hinreichend wirksam ist. Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass viele Hinweise über verdächtige Transaktionen aus Wirtschaft und Handel kommen, die hier unersetzlich sind. Deshalb stelle ich mir die Frage, ob ein einheitliches nationales Meldesystem nicht praktikabler wäre als 16 verschiedene Meldestellen in den Ländern.

Die gleiche Frage stellt sich auch bei der Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die in weiten Teilen in der Verantwortung der Länder liegen soll. Hier muss sichergestellt werden, dass alle Behörden und die Wirtschaft über die nötige Expertise im Umgang mit diesen Stoffen verfügen und verdächtige Transaktionen zuverlässig identifizieren können. Jeder Person in der gesamten Handelskette muss klar sein, wann eine Transaktion, also ein Kauf bzw. Verkauf, wichtige Verdachtsmomente erfüllt.

Der Missbrauch von Ausgangsstoffen von Explosivstoffen für kriminelle oder terroristische Bedrohungen ist eine ernste Gefahr und ständig im Wandel. Die Politik hat die Aufgabe, diese Veränderungen genau zu beobachten und unter vorsichtiger Abwägung der Verhältnismäßigkeit klare Regelungen zu schaffen. Daher kann der vorliegende Gesetzentwurf kein abschließender Akt sein, und wir sollten auch einen höheren Anspruch an unsere Sicherheitspolitik haben als einzig den, europäischen Vorgaben zu genügen.