Rede von Andreas Audretsch Fachkräftestrategie

Andreas Audretsch MdB
14.10.2022

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war in der letzten Woche in meinem Wahlkreis mit der Post unterwegs und habe mir deren Arbeit angeschaut. Ich kann Ihnen sagen, dass die Postbotinnen und Postboten in meinem Wahlkreis in Neukölln mittlerweile Extrastraßen laufen müssen, weil es zu wenig Menschen gibt, die dort die Arbeit machen wollen.

Im Juli 2022 fehlten in fast der Hälfte aller vom ifo-Institut befragten Unternehmen Arbeitskräfte. Das ist ein zentrales Problem, mit dem wir umgehen müssen. Deswegen kommt die Fachkräftestrategie der Bundesregierung genau zur richtigen Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben begonnen, Deutschland zur Weiterbildungsrepublik zu machen. Das ist auch etwas, was Sie in den letzten 16 Jahren gerne hätten angehen können. Ein zentraler Baustein dafür ist, dass wir mit dem Bürgergeld Hartz IV überwinden.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön wär’s!)

Wir richten die Grundsicherung auf Weiterbildung aus. Wir richten sie darauf aus, dass Menschen Chancen kriegen und eine Zukunft entwickeln können. Der Vorrang der Vermittlung in den nächstschlechtesten Job wird abgeschafft. Stattdessen sorgen wir dafür, dass Menschen langfristig qualifiziert werden und Chancen – auch Aufstiegschancen – bekommen. Genau darum geht es in diesem Gesetz. Es sieht auch einen Anreiz vor; man kriegt 150 Euro, wenn man in einen neuen Beruf hineingeht. Das alles sind Möglichkeiten, Menschen auf den Weg zu schicken. Deswegen ist es richtig, dass wir das Bürgergeld genau so ausgestalten und jetzt gemeinsam auf den Weg bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie, liebe Union, hatten eine Chance. Sie reden immer davon, dass Ihnen die Menschen, die arbeiten, besonders wichtig seien. Sie hatten in den letzten Monaten eine Chance, das unter Beweis zu stellen. Das war der Moment, als es hier im Plenum um den Mindestlohn gegangen ist. Und was haben Sie gemacht? Sie haben sich der Zustimmung verweigert.

(Marianne Schieder [SPD]: Genau! Und jetzt großes Geschrei!)

Sie haben an der Stelle das getan, was nicht relevant ist, um Menschen zu helfen, die in diesen Niedriglohnsektoren arbeiten. Ihnen geht es nicht darum, Arbeit attraktiv zu machen. Ihnen geht es nicht darum, dass Menschen mehr verdienen, wenn sie im Niedriglohnsektor arbeiten. Ihnen geht es einzig und allein um Ihren falschen Populismus und darum, ihn hier in die Welt zu brüllen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Marc Biadacz [CDU/CSU])

Das ist das, was Sie wollen, und das haben Sie an dieser Stelle mehr als ausreichend bewiesen.

Der zweite Punkt betrifft die Frage der Einwanderung.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])

Natürlich brauchen wir Zuwanderung in Deutschland. Ich bin froh, dass wir Menschen, die vor Putins Krieg geflohen sind, eine Arbeitserlaubnis gegeben haben

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sprechen Sie eigentlich auch mal zum Thema?)

und dass wir das schnell getan haben. Gleichzeitig haben wir sie mit den Jobcentern zusammengebracht. Das heißt nämlich, dass sie Unterstützung kriegen, dass sie Informationen kriegen, dass sie Weiterbildung kriegen. Sie hätten diesen Menschen die Arbeitserlaubnis verweigert. Sie hätten den historischen Fehler, den Sie diesem Land über Jahrzehnte aufgezwungen haben, wieder gemacht. Sie wären in die gleiche alte Falle getappt.

Es ist richtig, dass diese Menschen arbeiten können. Es ist richtig, dass sie es tun, weil sie etwas beizutragen haben. Ich weiß, dass es Ihnen an dieser Stelle schwerfällt, ins 21. Jahrhundert zu kommen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Kümmern Sie sich doch mal um sich selbst! Sie sind in der Regierung! Fällt Ihnen nichts Besseres ein, oder was? – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Dann macht doch was! Nur Kritik an der Union! Macht doch mal was! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Sie haben den Bezug zur deutschen Wirtschaft, zu Familienunternehmen, zur Industrie völlig verloren. Gehen Sie da mal hin; die brauchen diese Arbeitskräfte.

Ich habe nur eine Bitte: Machen Sie Ihre ideologischen Spielchen nicht zulasten der Unternehmen, die genau diese Leute brauchen, die darauf warten, dass sie anfangen zu arbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Völlig daneben!)

Sie halten die Leute weg; Sie grenzen Leute vom Arbeitsmarkt aus. Das ist Ihre Politik, und die ist nicht zukunftsfähig. Deswegen haben Sie an der Stelle auch keinen Kontakt zur Wirtschaft. Man kann diesen Punkten von Ihnen einfach keinerlei Glaubwürdigkeit schenken.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Unsinn! Dreckschleuder!)

Ein Punkt noch am Ende. Eine Gruppe taucht nämlich fast gar nicht auf – jetzt müssen Sie sehr stark sein;

(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Ah, jetzt kommt’s! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Witzbold!)

ich sage Ihnen etwas, was Sie noch nicht mal zu denken wagen –: Um den Fachkräftemangel zu bewältigen, brauchen wir eine feministische Wirtschaftspolitik.

(Lachen bei der AfD)

Es muss endlich Schluss sein mit dem Gender Pay Gap.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es muss endlich Schluss sein mit dem Care Gap. Es muss endlich Schluss sein mit einem Steuersystem, das Frauen dezidiert zu Hause hält,

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Genau das Gegenteil passiert!)

was Sie über Jahre proklamiert haben. All das muss weg!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/CSU)

Deswegen ist es gut, dass wir als Koalition diese Fragen angehen und eine neue Politik machen. Die Fachkräftestrategie kommt zur rechten Zeit. Wir setzen das um und gehen die Frage an.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Jetzt sind Sie weg!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Pascal Meiser.

(Beifall bei der LINKEN)