Rede von Nyke Slawik Fahrgastrechte

Nyke Slawik MdB
02.03.2023

Nyke Slawik (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wiehle, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Wir geben deutlich mehr Geld aus für den ÖPNV. Das Deutschlandticket kommt jetzt – viele Menschen freuen sich darauf –, und das ist ganz, ganz großer Erfolg dieser Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Valentin Abel [FDP])

Hier geht es jetzt um die Fahrgastrechte. Am 7. Juni soll dazu eine neue EU-Verordnung in Kraft treten. Mit dem vorliegenden Entwurf nutzt die Koalition den Spielraum dieser EU-Vorlage aus, um Verbesserungen für Fahrgäste mit Behinderungen zu erwirken und das digitale Erstattungsverfahren überall verfügbar zu machen.

Wir sorgen für mehr Barrierefreiheit bei der Bahn. Eine zentrale Anlaufstelle für Fahrgäste mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität soll verpflichtend für alle Eisenbahnunternehmen eingerichtet werden. Das ist neu; denn bisher gab es nur eine auf Freiwilligkeit beruhende Regelung, und nicht alle Eisenbahnunternehmen waren dazu bereit. Mit dieser Gesetzesänderung geht eine Verbesserung bei der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderung einher – ein wichtiger Fortschritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Michael Donth [CDU/CSU]: Danke, EU!)

Ein digitales Erstattungsverfahren soll künftig überall verfügbar sein.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Auch das war die EU!)

Die Deutsche Bahn nutzt ein solches bereits seit einiger Zeit; damit wurden gute Erfahrungen gemacht. Gut, dass wir das jetzt zum Standard machen.

Ich wünsche mir, dass wir nicht nur digitale Antragsverfahren gesetzlich verankern, sondern auch die Bearbeitungszeit für Entschädigungsanträge verkürzen. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen bei allen Verkehrsträgern automatisiert werden sollen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir dafür Lösungen erarbeiten, sodass Erstattungen zukünftig automatisiert ablaufen, damit das Geld schnell und unkompliziert auf das Konto der Fahrgäste zurücküberwiesen werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Eisenbahn-Bundesamt soll künftig mehr Befugnisse für die Durchsetzung der Fahrgastrechte erhalten – auch das ist gut – und die Einhaltung überwachen. Auch die Bearbeitung von Beschwerden durch Fahrgäste gehört zu diesen Aufgaben. Damit es diese Aufgaben aber auch erfüllen kann, braucht es wirksame Sanktionen, zum Beispiel in Form von Bußgeldern oder, bei wiederholten Verstößen, durch die Entziehung von Konzessionen. Da müssten wir an der Gesetzesvorlage nacharbeiten. Es gibt Spielräume, die der vorliegende Gesetzentwurf noch ungenutzt lässt. Da wünsche ich mir mehr Ambition und dass wir als Ampelfraktionen hier im Bundestag noch Verbesserungen erwirken.

Meine Brüsseler Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament haben beispielsweise jahrelang für die Fahrradmitnahme in Zügen gekämpft. Die neue EU-Fahrgastrechte-Verordnung sieht jetzt vor, dass Platz für mindestens vier Fahrräder pro Zug geschaffen werden soll. Hier müsste im AEG noch nachgebessert werden, sodass bei der Anschaffung von neuen Zügen diese Vorrichtungen für mindestens vier Fahrräder enthalten sein müssen. Ich bin außerdem der Meinung: Wenn es am Abfahrtsbahnhof keinen funktionierenden oder barrierefreien Fahrkartenautomaten gibt, sollte es möglich sein, Fahrkarten ohne Aufpreis an Bord des Zuges zu kaufen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu guter Letzt enthält die EU-Verordnung auch Vorschriften, die ich nicht gutheiße, bei denen es aber keinen Spielraum gibt, sie im Rahmen der nationalen Umsetzung auszuräumen. Die sogenannte Force-Majeure-Klausel besagt, dass Unternehmen keine Entschädigung zahlen müssen, sofern der Grund für den Ausfall oder die Verspätung höherer Gewalt zuzuschreiben ist. Das gilt beispielsweise für extreme Wetterbedingungen und Naturkatastrophen. Für streikbedingte Ausfälle und Verspätungen gilt diese Klausel ausdrücklich nicht. Dennoch wird es in der Praxis viele Grauzonen geben, oder es wird womöglich nicht immer zutreffend sein, wenn Unternehmen sich auf höhere Gewalt beziehen. In diesen Fällen werden Entschädigungen gerichtlich einzuklagen sein. Für Fahrgäste ist das eine schlechte Nachricht.

Letzter Satz. Es liegt leider nicht in unserer Hand, das im Bundestag zu ändern. Umso wichtiger ist es, dass wir die anderen Spielräume nutzen, um im Gesetz weitere Verbesserungen für die Fahrgäste zu erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Bernd Riexinger für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)