Rede von Beate Walter-Rosenheimer Förderung der Aufstiegsfortbildung
Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Wir stimmen heute Ihrem Gesetzentwurf zu, weil er für uns ein guter Schritt zu besserer Weiterbildung ist und viele positive Veränderungen enthält.
Dennoch beginnt meine Rede mit einem Aber. Das wissen Sie auch. Wir haben es im Ausschuss, in einer Anhörung und auch hier im Plenum oft diskutiert. Ihr Gesetzentwurf geht uns nicht weit genug. Warum? Weil Weiterbildung eines der riesigen Themen unserer Gesellschaft ist, weil wir Antworten auf die sich verändernde Gesellschaft brauchen, weil ökologische Transformation und Digitalisierung neue Anforderungen stellen und weil Sie dafür nicht ausreichende Antworten haben. Es fehlt an Veränderungen, die tiefer gehen als das, was Sie vorlegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir an den eklatanten Fachkräftemangel in unserem Land denken, an die großen gesellschaftlichen Umbrüche, dann haben wir Grüne eine klare Vorstellung, nämlich die einer breit aufgestellten Weiterbildung, die gleichwertig neben Schule, Ausbildung und Hochschule steht, die wir ernst nehmen und der wir den Stellenwert geben, den sie braucht, und wie wir möglichst viele Menschen erreichen, die heute noch nicht davon profitieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb brauchen wir – das ist eine unserer Kernforderungen – einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn sich jemand weiterbilden will, dann soll er das auch machen können und nicht von betrieblichen Gegebenheiten oder vom guten Willen des Arbeitgebers abhängig sein. Ohne eine gesetzliche Verankerung bleibt jede Weiterbildungsstrategie wirkungslos. Der gute Wille allein genügt nämlich nicht, Freiwilligkeit genügt in unseren Augen nicht. Deshalb brauchen wir den Rechtsanspruch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn man dann das Recht hat, sich weiterzubilden, braucht man Zeit dafür, ganz klar. Deshalb fordern wir dringend einen Freistellungs- und Teilfreistellungsanspruch. Was hilft es mir denn, wenn ich mich weiterbilden will und darf, aber dann die Arbeitszeit nicht reduzieren kann? Die Freistellung korrespondiert ja mit dem Rechtsanspruch. Wer Zeit für Weiterbildung braucht, der braucht auch das Recht im Betrieb, dafür eine Auszeit nehmen zu können oder in Teilzeit zu gehen,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und natürlich auch das Recht, wieder in Vollzeit zurückzukehren oder zumindest in den vorherigen Stundenumfang. Also brauchen wir zusätzlich zum Freistellungsanspruch auch ein Rückkehrrecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so dagegen sperren. Vergessen wir einmal eines nicht: Eine Weiterbildung dient nicht nur den Menschen, die sich weiterbilden, sondern in der Regel auch den Arbeitgebern, den Betrieben der Wirtschaft. Das hilft auch gegen Fachkräftemangel.
Und wir brauchen Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn wer sich weiterbilden will oder aufgrund der Veränderungen in der Gesellschaft weiterbilden muss, braucht eine ausreichende und sichere Finanzierung. Auch hier wollen wir einen Schritt weiter gehen als Sie und das Aufstiegs-BAföG zu einem Weiterbildungs-BAföG umbauen, und zwar für alle, die bisher keinen Anspruch auf Leistungen im Rahmen der SGBs haben. Der Wunsch nach beruflicher Entwicklung darf nicht länger am Geldbeutel scheitern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dafür wollen wir das bestehende Aufstiegs-BAföG ausbauen und die Fördersätze und Freibeträge deutlich erhöhen. Neben Aufstiegsfortbildungen können auch weniger umfangreiche Fortbildungen, Weiterbildungen auf dem gleichen formalen Qualifikationsniveau oder ein Zweitstudium grundsätzlich unterstützt werden. Die Förderung setzt sich zusammen aus einem Zuschuss und der Möglichkeit eines Darlehens, um den Lebensstandard während der Weiterbildung sicherzustellen. Das ist auch wichtig, wenn wir über die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung nachdenken; denn nur dann, wenn beide Schienen Teil des staatlichen Bildungsauftrags sind und finanziert werden, werden wir sie erreichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen nicht, dass diese Gleichwertigkeit weiterhin eine Worthülse bleibt. Wir bieten hierfür ein gut durchdachtes Gesamtpaket. Ich finde es schade, dass Sie sich da so verschließen.
Um unsere Intention deutlich zu machen, haben wir heute auch zwei Änderungsanträge gestellt. In einem geht es um die Evaluierung und Berichtspflicht über Weiterbildungszahlen, aktuelle Entwicklungen. Das wollen Sie auch. Alle Experten und Expertinnen haben in den Anhörungen bestätigt, dass wir das brauchen. Wir wollen das gleich und alle zwei Jahre – ob der Dringlichkeit der Lage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der zweite Änderungsantrag beschäftigt sich mit der Teilzeitfinanzierung bei Teilzeitweiterbildung. Wir wollen auch den Lebensunterhalt anteilig unterstützen. Bisher können nach dem AFBG nur die Maßnahmekosten gefördert werden. Das widerspricht dem Interesse der Weiterbildungswilligen; denn wenn jemand auf Teilzeit reduziert, um eine Weiterbildung zu machen, hat er selbstverständlich anteilig weniger Geld zur Verfügung, muss aber seine Lebenshaltungskosten irgendwie stemmen können. Er hat vielleicht Familie, er zahlt Miete, die Kita für die Kinder. Alles läuft weiter und muss irgendwie bezahlt werden. Ohne ausreichende Finanzierung werden viele Menschen den Sprung ins kalte Wasser nicht wagen. Eine Weiterbildung darf doch nicht dazu führen, dass ich mein gesamtes Leben umkrempeln muss, und sie darf auch nicht so teuer sein, dass ich ganz darauf verzichte. Da sehen wir noch erheblichen Bedarf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe seit Wochen Kopfschütteln zum Rechtsanspruch. Sie sperren sich gegen den Freistellungsanspruch oder die Teilzeitweiterbildungsfinanzierung. Wie sagte schon Schopenhauer – ich darf mir heute wieder einmal ein Zitat erlauben –:
Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.
Ich vertraue darauf: Gute Ideen setzen sich durch. Ich bin zuversichtlich, dass Sie darüber nachdenken, dass wir weiterhin darüber verhandeln. Es wäre nicht das erste Mal, dass grüne Ideen sich dann doch durchsetzen. Deshalb trauen Sie sich: mehr Mut und mehr Vision für die Zukunft unserer Gesellschaft!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion: der Kollege Stephan Albani.
(Beifall bei der CDU/CSU)