Rede von Sven-Christian Kindler Folgen der Corona-Pandemie – Kurzarbeit in Europa
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass das SURE-Programm kommt. Millionen Menschen in Europa, die sonst ihre Arbeitsplätze verloren hätten, können damit Kurzarbeitergelder beziehen, und wir können damit auch Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz finanzieren. Das Ganze ist nicht nur eine Hilfe für Beschäftigte, sondern es stabilisiert auch Unternehmen und Betriebe. Es hilft insgesamt auch, den europäischen Binnenmarkt zu stabilisieren. Das ist gut, und deswegen werden wir heute zustimmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber was nicht gut ist: dass wir erst eine große globale und europäische Krise brauchen, damit die Bundesregierung sich als Ganzes bewegt. Das ist akutes Krisenmanagement, aber keine langfristige und dauerhafte Krisenvorsorge. Deswegen haben wir Grüne ja in der Vergangenheit schon lange eine Arbeitslosenrückversicherung gefordert. Wir haben auch bemerkt, dass der Bundesfinanzminister Scholz das letztes Jahr gefordert hat; aber er konnte sich leider in der Bundesregierung nicht gegen die Union durchsetzen. Ich finde, das muss sich ändern. Es geht nicht, dass auf europäischer Ebene weiterhin die Union eine dauerhafte Arbeitslosenrückversicherung blockiert. Die Europäische Kommission will Ende des Jahres uns einen Vorschlag machen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung sich dann gesprächsbereit zeigt und das auch mitmacht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn eine dauerhafte Arbeitslosenrückversicherung und mittelfristig auch eine mögliche Basisarbeitslosenversicherung unterstützen nicht nur soziale Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt, sondern die wirken auch als wirtschaftlicher, als makroökonomischer Stabilisator in der Euro-Zone. Was wir brauchen, sind doch mehr Stabilität, mehr Instrumente für Stabilität in der Euro-Zone, damit wir von der nächsten Krise nicht wieder wirtschaftlich überrollt werden. Wir müssen vorbereitet sein. Das muss eine zentrale Lehre aus dieser Krise sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen begrüße ich auch ausdrücklich, dass die Union in dieser Krise sich bewegt hat. Denn in den letzten Jahren haben wir doch gesehen, dass die Union mit Wolfgang Schäuble an der Spitze eine harte Austeritätspolitik in Europa vertreten hat
(Otto Fricke [FDP]: Was?)
und vor allen Dingen darauf gesetzt hat, dass jeder für sich handeln sollte, also national orientierte Lösungen statt echter europäischer Antworten. Aber mit dieser Politik wird jetzt auch ein Stück weit gebrochen, nicht nur durch SURE. Gerade der Vorschlag von Emmanuel Macron und Angela Merkel für einen Recovery Fund und für gemeinsame europäische Anleihen bedeutet auch eine Änderung, die wir begrüßen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Warum ist das eine Änderung? Man muss schon festhalten: Es ist auch ein Stück weit eine geistige Wende der Union weg von der Politik von Wolfgang Schäuble hin zu einer Europapolitik im Sinne Helmut Kohls, und das begrüßen wir ausdrücklich.
Was aber nicht passieren darf, ist, dass man jetzt einfach dabei stehen bleibt und sagt: Okay, das war eine Ausnahme; nach dieser Krise kehren wir zur alten Politik zurück. – Denn wir wissen doch, dass die wirtschaftlichen Krisen nicht weniger werden. Wir müssen dauerhaft Vorsorge betreiben. Wir müssen dauerhaft dafür sorgen, dass Europa krisenfest wird und wir Stabilität haben.
(Otto Fricke [FDP]: Welcher Kontinent ist denn stabiler als dieser?)
Wir wollen diesen Kontinent weiterentwickeln; darum muss es gehen. Wir brauchen eine Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Wir müssen dafür sorgen, dass wir besser aus dieser Krise herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind. Wir können also nicht zur alten Normalität vor Corona zurückkehren. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Europäerinnen und Europäer eine bessere Zukunft haben. Dafür müssen wir uns einsetzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Glöckner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)