Rede von Dr. Manuela Rottmann Folgen der Corona Pandemie – Recht
Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Wirtschaft muss einen drastischen Schock bewältigen, und in Normalzeiten völlig gesunde Unternehmen kämpfen jetzt unverschuldet um ihre Liquidität. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in dieser Situation ist richtig, auch die Erleichterung der Zuführung von Liquidität an schwankende Unternehmen durch Gesellschafter oder Gläubiger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Wir halten damit die Uhr für einen Moment an. Wir halten sie für die Unternehmerinnen und Unternehmer an, die mit dieser Situation verantwortungsbewusst umgehen. Denjenigen, die an ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken, die an eigene Reserven gehen, um ihren Lieferanten zu helfen, die Forderungen gegenüber ihren Kunden stunden, helfen wir mit diesen Eingriffen ins Insolvenzrecht. Ihnen danken wir dafür, dass auch sie mit dieser Krise so verantwortungsvoll umgehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Die Erleichterungen im Insolvenzrecht bergen allerdings auch Risiken; darauf will ich hinweisen. Sie können missbraucht werden. Deswegen ist es unerlässlich, dass staatliche Hilfen mit klaren, vollstreckbaren Auflagen versehen werden. Wir müssen in dieser Situation verhindern, dass die Erleichterungen im Insolvenzrecht genutzt werden, um die Renditen von kurzfristig engagierten Investoren zu verbessern, anstatt unsere Unternehmen zu stabilisieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die befristete Aussetzung der Kündigung wegen ausstehender Mietzahlungen für nicht leistungsfähige Verbraucherinnen und Verbraucher und Kleinstunternehmer ist für uns tragbar. Das Leistungsverweigerungsrecht für wesentliche Dauerschuldverhältnisse greift jedoch tief in die bewährte Risikoverteilung des allgemeinen Schuldrechts ein. Auch das birgt Risiken. Klare Regelungen zu den Darlegungspflichten hätten der Praxis die rechtssichere Anwendung erleichtert. Eine klare Aussage zur Gegenleistungspflicht wäre notwendig gewesen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine bloße Verschiebung von Zahlungspflichten birgt die Gefahr späterer Überschuldung. Hier müssen wir über andere Lösungen nachdenken, zum Beispiel über Sonderkündigungsrechte für nicht wesentliche Leistungen.
Dieses Paket kann nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen auch ein Signal dafür, dass es nach der Krise weitergeht. Die ohnehin geplante Verkürzung der Frist bis zur Restschuldbefreiung vorzuziehen, wäre ein solches starkes Signal.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie mich noch kurz ein Wort zu den Änderungen im Infektionsschutzgesetz sagen, die später beraten werden. An diesen Beratungen wurden wir nicht beteiligt. Es ist richtig, dass der Bundestag entscheidet, ob eine epidemische Notlage von nationalem Ausmaß entsteht, und nicht die Bundesregierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Ein demokratischer Rechtsstaat kann, muss und wird zeigen, dass sich eine solche Krise auch mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln bewältigen lässt. Es ist aber nicht gut und für mich nicht verständlich, dass der Bundestag beim Erlass von Rechtsverordnungen, die tief in die Grundrechte eingreifen, nicht beteiligt ist.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Gesetz, das wir gerade behandeln, ist das anders. Hier haben wir das geändert. Aber warum man es dann angesichts der tiefen Eingriffe in die Grundrechte im Infektionsschutzgesetz nicht genauso macht, ist für mich nicht verständlich.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Ich komme kurz zu der namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 a zurück. Die ersten 30 Minuten sind inzwischen vorüber, sodass ich nun die Abgeordneten, deren Nachname mit den Anfangsbuchstaben L bis Z beginnt, daran erinnere, dass auch sie zur Abstimmung gehen – nicht alle auf einmal, aber in den nächsten 30 Minuten. Natürlich können und sollen alle Kolleginnen und Kollegen in den nächsten 30 Minuten ihre Stimmkarte in die Urne werfen.
Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Eva Högl, SPD.
(Beifall bei der SPD)