Rede von Dr. Danyal Bayaz Forschung und Entwicklung

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07.11.2019

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre hat es gedauert: 2009 stand zum ersten Mal die steuerliche Forschungsförderung im Koalitionsvertrag. Zehn Jahre später wird sie dann Realität. Glückwunsch an die Koalition, an uns alle.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für den Innovationsstandort Deutschland. Denn Innovation ist, so sagt es der Publizist Wolf Lotter – ich zitiere –, „Anlass für die Hoffnung, dass es besser wird“. Deswegen können wir hoffen, meine Damen und Herren.

Wir waren ja als Finanzausschuss vor ein paar Wochen gemeinsam in China, und wir konnten dort beobachten, mit welcher Aggressivität, mit welchen Summen in China im Bereich Forschung und künstliche Intelligenz investiert wird. Hier geht es nicht nur um die Frage von Wettbewerbsfähigkeit oder Technologieführerschaft. Es geht hier um die Frage von Systemwettbewerb, meine Damen und Herren. Deswegen müssen auch wir uns natürlich hier fragen: Wie kann der Staat bei uns aktiv Innovationen im Sinne unseres Wertesystems antreiben? Erfindergeist lässt sich nicht von oben verordnen. Menschen und Unternehmen brauchen Freiräume. Sie brauchen ein inspirierendes Umfeld, um neue Ideen zu entwickeln. Ja, steuerliche Anreize können dabei helfen, genau ein solches Umfeld zu schaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Allerdings war die lange Unsicherheit darüber, wie die Auftragsforschung gefördert werden soll, weniger inspirierend. Es ist doch klar, dass Forschung immer da gefördert werden muss, wo das wirtschaftliche Risiko liegt, also beim Auftraggeber. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit in der Marktwirtschaft. Aber das Bundesfinanzministerium wollte das lange nicht anerkennen. Aber zum Glück ist der Deutsche Bundestag ein Arbeitsparlament, und manche Gesetze verlassen den Bundestag eben besser, als sie hereingekommen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das war jetzt ein Lob, oder?)

– Wir haben da alle mitgearbeitet, Herr Güntzler. – Von dieser Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf werden ja nicht nur Forschungsinstitute profitieren, sondern – das haben wir schon ein paarmal gehört – vor allem kleine und mittlere Unternehmen, Start-ups. Die verfügen anders als Konzerne oft nicht über eigene Forschungsabteilungen. Sie sind auf Auftragsforschung von Unis, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen angewiesen.

Kleine und mittlere Unternehmen sind ja auch die, die durch steuerliche Forschungsförderung zu zusätzlichen Forschungsinvestitionen angeregt werden. Das ist für uns schon ein zentrales Ziel. Wir können nicht einfach nur blind Forschung fördern, sondern wir sollten zusätzliche Forschung unterstützen, meine Damen und Herren. Deswegen hat Ihr Gesetzentwurf eine kleine Schwachstelle, nämlich die, dass Sie sich nicht klar auf die Förderung von kleineren und mittleren Unternehmen fokussieren. Unser Anspruch sollte es sein, Gelder immer mit der bestmöglichen und der größtmöglichen Wirkung einzusetzen.

Nehmen wir als Beispiel einmal die Volkswagen AG. Sie wird durch diese 500 000 Euro nicht die neue Mobilität erfinden. Ich hoffe, dass sie sowieso daran arbeitet. Aber Volkswagen nimmt diese 500 000 Euro mit, aber ob dadurch zusätzliche – zusätzliche! – Forschungsanstrengungen unternommen werden, da würde ich ein Fragezeichen machen.

Frau Schüle, Sie sagten ja vorhin, die Opposition solle sich einen Ruck geben und dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Genau!)

Jetzt reden wir über Innovation. Richtig innovativ wäre es – wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Fokus genau auf KMUs legt –, wenn die Regierung einen coolen Gesetzentwurf der Opposition unterstützte. Das wäre innovativ, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Schluss will ich noch sagen: Wir können uns nicht zurücklehnen. Obwohl wir in Forschungspersonal investieren, gilt nach wie vor, was der MIT-Ökonom Daron Acemoglu feststellt – ich zitiere –: Der Staat belohnt und subventioniert Unternehmen, wenn sie Maschinen einsetzen, und bestraft sie, wenn sie Arbeitskräfte einstellen. Wer als Unternehmer eine Maschine anschafft, bekommt staatliche Hilfen in Form von Steuernachlässen. Wer hingegen Arbeitskräfte einstellt, wird vom Staat mit hohen Steuern und Sozialabgaben belastet.

Ich finde, die Forschungsförderung wird auch zu mehr Automatisierungs- und Digitalisierungsprozessen beitragen und diese beschleunigen. Das ist auch erst mal gut so. Aber damit eben nicht die Stammbelegschaft in Unternehmen auf der Strecke bleibt, müssen wir noch viel stärker darüber nachdenken, wie wir in die Köpfe aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer investieren.

Wissenskapital gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dafür muss man sich nur das Jahresgutachten des Sachverständigenrats, das gestern herausgekommen ist, anschauen. Wer also über steuerliche Forschungsförderung redet, der muss auch immer über steuerliche Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung reden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen: Lehnen wir uns nicht zurück; denn auch hier hat Wolf Lotter recht:

Innovationsarme Gesellschaften sind auch materiell arm. Wer den Fortschritt nicht hineinlässt, der schadet allen.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das ist ja Fundamentalkritik an den Grünen!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Danyal Bayaz. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Hans Michelbach.

(Beifall bei der CDU/CSU)