Rede von Omid Nouripour Fortsetzung Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak

22.11.2017

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Irak sind die Tage des selbsternannten Kalifats so gut wie gezählt. Dafür gebührt unser Dank auch den Kurdinnen und Kurden. Sie haben große Opfer dabei gebracht, die Barbaren zu stoppen und zurückzudrängen, und sie haben zahllosen Vertriebenen Zuflucht gewährt – das alles nach einer sehr langen Geschichte von Verfolgung und Benachteiligung. Auf die historische Ungerechtigkeit durch den Plan von Sykes-Picot folgte mehr als ein Jahrhundert der Diskriminierung. Am 16. März des kommenden Jahres begehen wir den 30. Jahrestag der schrecklichen Giftgasangriffe durch Saddam Hussein auf Kurdinnen und Kurden. Wie wir heute wissen, waren daran auch deutsche Firmen mitbeteiligt.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: So ist es!)

Auf den Ruinen dieser Geschichte ist in den letzten Jahren im Nordirak so etwas wie die Oase eines stabilen Gemeinwesens mit demokratischen Elementen entstanden. Zur Verteidigung dieses Gemeinwesens und des gesamten Iraks hat auch die Bundeswehr in den letzten Monaten einen großen Beitrag geleistet: zur Stabilität der Region, zum Schutze der Peschmerga, zur besseren Verarztung der Verwundeten und zu besseren taktischen Fähigkeiten. Dafür gebührt den Soldatinnen und Soldaten unser Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das Problem bei dem Mandat war, dass die Bundesregierung eine absolut notwendige Bedingung des Verfassungsrechts, nämlich das System kollektiver Sicherheit, wie es Karlsruhe uns ins Stammbuch geschrieben hat, nicht geliefert hat, sondern auf eine Koalition der Willigen gesetzt hat. Deshalb haben wir diesem Mandat nicht zustimmen können, und wir werden dies, so wie es vorliegt, auch heute nicht tun.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir müssen sehen, dass sich die Lage verändert hat. Die Demokratie in diesem nordirakischen Gemeinwesen ist von innen ausgehöhlt worden. Der mittlerweile zurückgetretene Präsident Barzani hat seine Amtszeit nach 2015 über zwei Jahre überzogen. Sunnitische Dörfer sind von Peschmerga zerstört worden. Barzani hat Koalitionspartner ausgesperrt und den Parlamentarismus komplett ausgehebelt. Journalistinnen und Journalisten sind unter Druck gesetzt worden. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind monatelang nicht bezahlt worden. Korruption grassiert.

Das Referendum am 25. September dieses Jahres war nicht nur der Ausdruck eines völlig berechtigten Wunsches der Kurdinnen und Kurden nach Selbstbestimmung und Freiheit, sondern gerade die Auswahl des Zeitpunktes war auch ein Ausdruck der Verzweiflung einer Regierung, die sich in eine große Krise geritten hatte. Dies hat zu massiven Rückschritten geführt, auch und gerade in Kurdistan. Das Verhältnis zu Bagdad ist so schlecht wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Innerkurdische Konflikte – teilweise sehr alt und sehr tradiert – sind mittlerweile wieder aufgebrochen. Der Status von Kirkuk ist ganz weit davon entfernt, geklärt zu werden. Iran und die Türkei haben jetzt freie Hand für massive militärische und politische Störmanöver. Das ist der Grund, warum dieses Mandat so nicht fortgesetzt werden kann. Wir werden weiter darüber reden müssen.

Es ist für uns absolut klar, dass sich Deutschland im gesamten Irak politisch mehr engagieren muss und dass wir einen Beitrag leisten können: zur Versöhnung, dazu, dass die Spirale der Rache im Irak endlich durchbrochen wird, dass ein Ansatz entwickelt wird, der allen Volksgruppen im Land ihre Rechte einräumt, dass die Sicherheitskräfte im Rahmen eines inklusiven Ansatzes reformiert werden und dass es kein Wiedererstarken der Dschihadisten gibt.

(Beifall der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben darüber in den Sondierungen gesprochen. Es ist Zeit dafür, die Weichen endlich zu stellen, und es ist Zeit, den Wunsch der Kurdinnen und Kurden nach Selbstbestimmung und Freiheit nach über 100 Jahren endlich ernst zu nehmen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)