Rede von Omid Nouripour Fortsetzung Bundeswehrmandat Irak / IS

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13.03.2020

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten jetzt ein weiteres Mal ein Irak-Mandat. Ich muss einfach gestehen: Es ist nicht alles falsch, was darin steht. Es gibt gute, richtige Elemente: die Luftbetankung, die Unterstützung bei der Lufttransportkapazität. Wir sehen ja auch, dass die Ausbildung im Norden des Landes, bei den Kurdinnen und Kurden, funktioniert.

Wir haben es mit dem „Islamischen Staat“ zu tun, der noch lange nicht besiegt ist. Es ist offenkundig, dass eine Sicherheitssektorreform im Irak der Kern dessen ist, was man braucht, um ISIS zu bekämpfen. Denn ISIS lebt davon, dass gerade die Streitkräfte im Land nicht unbedingt inklusiv aufgestellt sind und die Sunniten immer das Gefühl haben, dass die Streitkräfte des eigenen Landes gegen sie gerichtet sind. Dort anzusetzen, ist eigentlich richtig.

Ich werde erklären, warum wir dennoch aus zwei zentralen Gründen diesem Mandat sicher nicht werden beitreten können.

Das eine ist die Rechtsgrundlage. Es gibt ein sehr klares Urteil aus Karlsruhe, das besagt, dass man Einsätze nur im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit fahren darf.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)

Die Bundesregierung hat das in den letzten Jahren bei diesem Mandat komplett missachtet.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Genau!)

Dann hat man jetzt miteinander geredet, sich unterhalten, hat sich nicht einigen können. Jetzt steht eine sehr bizarre Erklärung in diesem Mandat. Da steht: Die Ausbildung kann auch im NATO-Rahmen laufen. – Das ist kein Beitrag zur Rechtssicherheit. Das ist ein Beitrag zur Mandatsunsicherheit und ‑unklarheit. Deshalb können wir dem sicher nicht beitreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das zweite Argument ist aus meiner Sicht weit gravierender. Die Notwendigkeit einer Sicherheitssektorreform im Irak bleibt. Aber jetzt so zu tun, als könnte man das einfach mit ein paar Leuten machen, die man hinschickt – sie leisten dort eine verdienstvolle Arbeit –, ohne die gesamten Probleme, die es dort gibt – und die sind immens –, auch nur anzusprechen, weder im Mandat noch in den Einbringungsreden heute, deutet auf eine Ignoranz hin, die bei der Festigung der Staatlichkeit im Irak nicht zielführend ist.

Wir haben es mit 800 000 schiitischen Milizen zu tun, die mehr oder minder direkt unter der Kommandokette des Irans stehen. Genau gegen diese Einflussnahme des Irans gehen die Menschen seit Monaten Woche für Woche jeden Freitag auf die Straßen.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Genau die Sicherheitskräfte, die wir ausbilden sollen, schießen auf sie. Es sind über 600 friedliche Demonstrierende in den letzten Wochen und Monaten von den irakischen Streitkräften umgebracht worden,

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

und das in einer Situation, in der der Regierungschef nun wirklich nur noch hilflos aussieht.

Wir hatten nicht nur die Vergeltungsschläge nach dem Angriff auf General Soleimani; wir haben derzeit, just heute, auch wieder die Vergeltungsschläge auf die Vergeltungsschläge. Wenn man sich anschaut, wie groß der Aktionsradius der Regierung des Landes ist, dann sieht man: Er ist nahezu nichtig. – Wie soll man denn eine Sicherheitssektorreform machen in einem Land, in dem die Regierung kaum mehr was zu sagen hat, kaum mehr Einfluss hat, kaum mehr Zugriff auf die eigenen Streitkräfte hat? Das ist die zentrale Frage. Es gibt dafür keine Patentlösungen. Aber jetzt das komplett zu verschweigen und so zu tun, als würde man einfach mit einigen wenigen Soldatinnen und Soldaten das Problem lösen können, wälzt ein riesengroßes politisches Problem auf die Truppe ab, die das nicht lösen kann. Deshalb können wir dem Mandat, so wie es vorliegt, sicher nicht zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Nouripour. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Thomas Erndl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)