Rede von Dr. Tobias Lindner Fortsetzung des Einsatzes zur Stabilisierung des Irak und Bekämpfung des IS

Foto von Tobias Lindner MdB
27.09.2023

Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang dieses Jahres war ich für einige Tage im Irak. Ich habe ein Land erlebt, das langsam wieder in eine Normalität zurückfindet, ein Land, dessen Regierung sich ambitionierte Ziele gesetzt hat zur Stabilisierung der Lage und für das Wohlergehen der Menschen, ein Land, das mit uns immer enger zusammenarbeiten will. Aber bei meinem Besuch im Irak, bei Gesprächen vor Ort, auch mit Betroffenen selbst, ist mir eben zugleich auch ein Land begegnet, in dem Sicherheit leider noch lange keine Normalität ist, ein Land, das weiter um seine Stabilität kämpft, ein Land, in dem die Folgen des IS-Terrors – Vergewaltigungen, Versklavungen, Ermordungen – für die Menschen weiterhin präsent sind und tiefe Spuren hinterlassen haben, gerade in der jesidischen Gemeinschaft. Die Anerkennung dieses Leids als Völkermord durch einen Beschluss dieses Hohen Hauses, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist deshalb nicht nur richtig; sie ist von den Menschen im Irak auch unisono begrüßt worden.

Auch wenn der sogenannte „Islamische Staat“ keine Kontrolle mehr über ganze Landstriche im Irak ausübt und die mediale Aufmerksamkeit sich der russischen Aggression auf die Ukraine zugewandt hat, so verübt der IS doch weiter brutale Anschläge. Er greift irakische Sicherheitskräfte, lokale Verwaltungsstrukturen und kritische Infrastruktur an. Er ermordet weiterhin Menschen – bei ihrer Arbeit, zu Hause, draußen unterwegs, aus einem einzigen Grund: weil sie schiitische Muslime sind.

Gleichzeitig können wir festhalten: Die irakischen Sicherheitskräfte sind zunehmend selbst in der Lage, effektiv gegen den IS vorzugehen und diesen einzudämmen. Dies ist ein Erfolg, den der Irak mit Unterstützung seiner internationalen Partner – und dazu gehören auch wir – erzielt hat. Dafür habe ich bei meiner Reise viel Dank erfahren. Diesen Dank möchte ich ausdrücklich weitergeben an Sie als Kolleginnen und Kollegen, die diesen Mandaten zugestimmt haben, und vor allem an unsere Soldatinnen und Soldaten, die diesen Auftrag tagtäglich ausführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Aber weiterhin gilt: Der Irak braucht unsere Hilfe, um den Kampf gegen den IS schultern zu können. Gemeinsam müssen wir Erreichtes sichern, ausbauen und darauf aufbauen. Ohne fortgesetzte internationale Unterstützung geht das derzeit nicht. Das wird mir auch immer wieder und wieder gesagt. Das hat Premierminister Sudani bei seinem Besuch im Januar dieses Jahres dem Bundeskanzler gesagt. Das hat er gegenüber unserer Außenministerin bei ihrem Besuch im März im Irak erneut gesagt. Das hat auch der Premier der kurdischen Regionalregierung bekräftigt. Wir können also festhalten: Die Bundeswehr ist weiterhin erwünscht und willkommen.

Wir dürfen unsere Anstrengungen nicht zu früh aufgeben. Sonst laufen wir Gefahr, Erreichtes zu gefährden.

(Beifall des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Einsatz, liebe Kolleginnen und Kollegen, verfolgt ein enges und klar umrissenes Ziel. Es gilt, die irakischen Kräfte zu befähigen, die Sicherheitsverantwortung für ihr Land vollumfänglich wahrzunehmen, und ein Wiedererstarken des IS zu verhindern. Deutschland leistet dazu einen wichtigen Beitrag, der auch weiterhin benötigt wird.

Unser fortgesetztes und verlässliches Engagement bleibt gerade auch in Zeiten eines russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wichtig. Wir machen damit deutlich, dass wir sicherheitspolitische Interessen in anderen Regionen weiterhin sehen, analysieren, bewerten und eben auch danach handeln und uns als verlässlicher Bündnispartner engagieren. Diesen Punkt habe ich in der vergangenen Woche bei meinen Gesprächen am Rande der UN-Generalversammlung auch immer wieder deutlich gemacht.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Was macht ihr denn in der Sahelzone?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die völkerrechtliche Grundlage für den Fähigkeitsaufbau der irakischen Streitkräfte bleibt die Einladung und Zustimmung der irakischen Regierung. Die über den Fähigkeitsaufbau hinausgehenden Beiträge dienen der Unterstützung Iraks, der internationalen Anti-IS-Koalition und der regionalen Partner in ihrem Kampf gegen den IS im Rahmen der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie auf Grundlage des Artikels 51 der Charta der Vereinten Nationen. Verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz ist Artikel 24 Absatz 2 unseres Grundgesetzes.

Unser Engagement und unsere Erfolge im Land leben von unserem integrierten Ansatz. Im Irak wird sichtbar, was wir gemeinsam erreichen können, wenn wir als Bundesregierung eng zusammenarbeiten und militärisches Engagement durch Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Stabilisierung ergänzen – ganz im Sinne der Integrierten Sicherheit, wie wir sie auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie verankert haben. Insgesamt hat die Bundesregierung seit Beginn des Kampfes gegen den IS im Jahr 2014 mehr als 3 Milliarden Euro für multilaterale und bilaterale Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt. Vielfach hat sich gezeigt, dass militärische Maßnahmen notwendig sind, um ziviles Engagement überhaupt erst zu ermöglichen und abzusichern.

Insgesamt hat sich die Situation im Irak im vergangenen Jahr deutlich stabilisiert. Das gilt insbesondere seit Amtsantritt der Regierung unter Premierminister Sudani im vergangenen Oktober, der sich mit einem ambitionierten Reformprogramm um die Zukunft des Landes bemüht und sich auch bemüht, es gegen Widerstände durchzusetzen. Ausdruck dessen ist etwa die Tatsache, dass das Parlament seit Jahren zum ersten Mal wieder einen regulären Haushalt verabschiedet und sich die Sicherheitslage in Bagdad graduell verbessert.

Gleichwohl steht Irak weiterhin vor großen Herausforderungen auf seinem langen Weg aus der Krise hin zu mehr Stabilität und Resilienz. Innenpolitisch sind im Dezember Regionalwahlen angesetzt. Sie sind ein wichtiger, aber potenziell auch kontroverser Meilenstein.

Regionalpolitisch bleibt die Situation komplex. Mit dem Krisengebiet Syrien teilt das Land eine lange Grenze, und Iran drohte dem Irak insbesondere in der Region Kurdistan/Irak auch in diesem Jahr immer wieder mit militärischen Angriffen. Angesichts dieser nach wie vor strukturell volatilen Lage ist das verlässliche Engagement der internationalen Gemeinschaft ein wichtiger stabilisierender Faktor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zustimmung dieses Hohen Hauses zu Auslandseinsätzen ist ein hohes Gut. Das ist uns als Bundesregierung bewusst. Das gilt gerade auch für dieses Mandat. Ich möchte den Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr für die Erfüllung des wichtigen Auftrags herzlich danken. Ich habe einige bei meinem Besuch selbst getroffen und mit ihnen sprechen können. Ich will ihnen sagen: Mit ihrem verlässlichen Engagement stehen sie an der Seite der Menschen im Irak.

Das heißt, wir haben Verantwortung übernommen. Wir unterstützen bei der Schaffung von Sicherheit und Stabilität. Dabei dürfen wir, dabei sollten wir nicht nachlassen. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für die Verlängerung dieses Mandats.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Für die AfD-Fraktion erhält das Wort Joachim Wundrak.

(Beifall bei der AfD)