Rede von Lamya Kaddor Fortsetzung des UNIFIL-Einsatzes in Libanon

Lamya Kaddor
23.06.2023

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Während des Libanon-Kriegs sang 1979 die libanesische Musiklegende Fairouz in ihrem berühmten Song „Bahibbak ya lebnan“ – „Ich liebe dich, du Libanon“ – folgende Textzeilen:

Ich liebe dich, du Libanon. Ich liebe dich, meine Heimat. Mit deinem Norden, mit deinem Süden, mit deinen Hügeln liebe ich dich.

Der Libanon befand sich im Bürgerkrieg, und unter anderem mit diesem Lied wurde Fairouz zur Nationalheldin, weil sie den Menschen Hoffnung auf einen friedvollen Libanon schenken konnte.

Über 40 Jahre später befindet sich der Libanon seit 2019 in einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Die massive Korruption im Land führte zur Staatspleite, einer galoppierenden Inflation und zu Massenarbeitslosigkeit. Eine funktionierende Mittelschicht gibt es im Libanon nicht mehr. Viele verlassen das Land. Der staatliche Zerfall, inklusive der Streitkräfte, ist weit fortgeschritten und hat eine äußerst fragile Sicherheitslage geschaffen.

Zusätzlich hat das Land relativ zu seiner Einwohnerzahl so viele geflüchtete Syrerinnen und Syrer aufgenommen wie kein anderes Land der Welt. Knapp ein Viertel der Einwohner ist in den vergangenen zwölf Jahren aus Syrien geflohen.

Die Bundesregierung hat bei der Geberkonferenz letzte Woche über 1 Milliarde Euro Hilfen zugesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zeitgleich werden bedauerlicherweise syrische Geflüchtete wieder zum Spielball zwischen der syrischen und libanesischen Regierung.

Das Kinderhilfswerk UNICEF berichtete letzte Woche davon, dass jede zehnte libanesische und jede vierte syrische Familie gezwungen ist, ihre Kinder arbeiten zu lassen. 79 Prozent der Libanesinnen und Libanesen konnten letztes Jahr ihren Lebensgrundbedarf nicht decken; dieses Jahr sind es sogar schon 89 Prozent.

Der Libanon und damit auch die Sicherheit in der Region stehen vor einem Scheideweg. Wird es eine weitere Verschlechterung der ohnehin katastrophalen Lage und damit einhergehend einen wachsenden Einfluss konkurrierender Mächte und bewaffneter Milizen geben? Oder kann es einen Ausweg aus der Krise geben?

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Anfang April mussten wir wieder einmal miterleben, wie Israel mit Raketen angegriffen wurde; dieses Mal jedoch nicht nur durch die palästinensische Hamas, sondern auch aus dem Libanon. Die libanesische Hisbollah-Miliz soll mindestens 34 Raketen auf das Nachbarland Israel abgefeuert haben – der heftigste Beschuss aus dem Libanon seit 2006. Israel antwortete mit Luftschlägen.

Auch in den vergangenen Wochen kam es im Südlibanon entlang der Blauen Linie zu Israel wieder zu Gewalt. Libanesische Protestierende griffen aus einer Demonstration heraus Soldaten der israelischen Streitkräfte mit Steinen an; Tränengas wurde eingesetzt. Als Reaktion darauf verstärkte die UNIFIL-Mission ihre Präsenz an der südlichen Grenze des Libanon.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt: Die Situation zwischen den beiden Ländern bleibt weiterhin extrem angespannt. Ein Friedensvertrag existiert nach wie vor nicht und ist aufgrund des zunehmenden Einflusses der Hisbollah im Libanon auch nicht zu erwarten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es sich bei der Hisbollah um einen Staat im Staate handelt, der auch mit christlichen Parteien im Land kooperiert.

All das zeigt deswegen auch, wie wichtig der Einsatz der gemeinsamen Friedenstruppen der UN im Libanon bis heute ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Neben der Sicherung der libanesischen Grenzen ist die zentrale Aufgabe der Mission, den Zufluss von Waffen in den Libanon zu verhindern. Und es gelingt ihr sehr gut, diesen Waffenschmuggel über Seewege zu unterbinden.

Mit über 300 Soldatinnen und Soldaten und ab August zusätzlich mit einer Korvette „Oldenburg“ ist der Bundeswehreinsatz im Rahmen der UNIFIL-Mission zwar nur ein kleiner Beitrag, aber nicht weniger wichtig, um die Situation der libanesischen Bevölkerung und der Millionen syrischen Geflüchteten sicherer zu machen. Für die Sicherheit Israels ist er zudem nach eigenem Bekenntnis ein unverzichtbarer Teil.

Ich möchte es nicht versäumen, den Soldatinnen und Soldaten des Einsatzes an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Einsatz ist übrigens auch nicht zuletzt ein Baustein in einer deutschen Nahostpolitik, die die Probleme ganzheitlich und von der Wurzel her betrachtet. Viele meiner Gesprächspartnerinnen und ‑partner aus der Region wünschen sich von Deutschland ein breiteres Engagement, dass wir mehr „on the ground“ sind: im Libanon, im Irak, mit Blick auf den Iran. Sicherheitspolitik muss an Entwicklungspolitik stärker gekoppelt werden, um nachhaltiger vor Ort zu wirken.

Es braucht zudem diplomatische Initiativen, ein Bemühen um Frieden und Annäherung mit Israel. Es braucht kulturellen und wirtschaftlichen Austausch auf Augenhöhe mit unseren Partnern, die keine Bittsteller sind, sondern Partner beim Lösen globaler Herausforderungen. Und es braucht die deutsche Unterstützung für internationale Friedensmissionen wie UNIFIL, meine Damen und Herren.

Zum Ende meiner Rede möchte ich das Lied von Fairouz aufgreifen, das ich am Anfang zitiert habe und das Menschen auch heute noch Trost und Hoffnung spendet – ich zitiere –:

Wie immer es dir auch geht, liebe ich dich. Mit all deiner Verrücktheit, liebe ich dich. Selbst wenn wir getrennt werden, Führt uns deine Liebe zusammen. Ein Korn deines Bodens gehört zu den Schätzen der Welt. Ich liebe dich, du Libanon, du meine Heimat.

Der Libanon mit seinen Bürgerinnen und Bürgern hat mehr Sicherheit, mehr Zuversicht und auch mehr Zukunft verdient. Daher empfehle ich meiner Fraktion, der Verlängerung des Einsatzes zu entsprechen, ihm positiv zu begegnen und zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat Jürgen Hardt das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)