Rede von Katja Keul Fortsetzung des UNMISS-Einsatzes in Südsudan

Foto von Katja Keul MdB
22.02.2024

Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2011 gibt es das UN-Mandat im Südsudan, an dem wir uns derzeit mit 14 Soldatinnen und Soldaten, überwiegend Militärbeobachtern, beteiligen. Die Mission selbst ist mit 17 000 Soldatinnen und Soldaten und mit 2 000 Polizistinnen und Polizisten eine der letzten verbleibenden großen UN-Friedensmissionen. Und ein Ende ist leider nicht in Sicht.

Von den 12 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern Südsudans sind etwa 9 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind drei Viertel der Bevölkerung. Hinzu kommen aktuell 1 000 bis 1 500 Geflüchtete täglich aus dem Sudan, bislang mehr als 500 000. Die Klimakatastrophe trägt mit Dürren und Überschwemmungen zur Notlage der Menschen bei. Trotz des Friedensabkommens von 2018 kommt es weiter regelmäßig zu bewaffneten Kämpfen auf regionaler und lokaler Ebene. Auftrag der UN in dieser Lage ist der Schutz der Zivilbevölkerung und der humanitären Helfer, die Umsetzung des Friedensvertrages von 2018 und die Beobachtung der Menschenrechtslage. Das sind riesige Herausforderungen.

Gleichzeitig muss der Druck auf die Machthaber aufrechterhalten werden, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen für das Wohl ihrer Bevölkerung. Seit der Unabhängigkeit des Landes 2011 hat es noch keine Wahlen gegeben. Seit vier Jahren regiert eine Übergangsregierung der nationalen Einheit von Präsident Salva Kiir und seinem langjährigen Rivalen und heutigen Vizepräsidenten Riek Machar. Die beiden sprechen kaum miteinander. Es fehlt ihnen immer noch der entscheidende politische Wille, das Land endlich zu befrieden.

Ursprünglich sollten die Wahlen bereits Ende 2022 stattfinden. Sie wurden aber um zwei Jahre verschoben, weil weder die Rechtsgrundlagen vorlagen noch die praktische Durchführbarkeit gegeben war. Im letzten Herbst wurde immerhin eine Wahlkommission eingesetzt, die aber ihre Arbeit erst noch aufnehmen muss. Die Durchführung der Wahl braucht nicht nur funktionierende Institutionen, sondern eben auch ein Minimum an Sicherheit. Dafür ist die Präsenz von UNMISS unerlässlich.

Die Umsetzung des Friedensabkommens verläuft schleppend. Wie so häufig gestaltet sich gerade die Zusammenführung der unterschiedlichen Milizen zu einer einheitlichen Armee besonders schwierig. Keiner der Rivalen will sich dem anderen unterordnen. Jeder beansprucht möglichst viele Führungspositionen. Immerhin konnte am 15. November das erste Bataillon der neu gebildeten Vereinten Streitkräfte an seinen Einsatzort verlegt werden. Das ist ein erster Schritt.

Die Menschenrechtslage ist allerdings weiter desaströs. Besonders gravierend ist die weitverbreitete konfliktbezogene sexuelle Gewalt: von Massenvergewaltigungen bis zu sexueller Versklavung. Ein Zugang zur Justiz ist kaum vorhanden. Die Täter genießen praktisch Straffreiheit. Wir legen mit unserem Beitrag einen besonderen Fokus auf den Kampf gegen sexualisierte und genderbasierte Gewalt.

Bei meinem Besuch im April 2022 wurde mir mehrfach die intensive Bitte um die Entsendung deutscher Polizistinnen und Polizisten vorgetragen. Deswegen ist es eine gute Neuigkeit, dass wir mit diesem Mandat jetzt auch wieder bis zu 20 Polizistinnen und Polizisten entsenden werden. In Kürze werden die ersten drei Beamten eingesetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit unserem Beitrag zu UNMISS wollen wir in erster Linie helfen, das Leid der Menschen im Südsudan zu lindern. Gleichzeitig signalisieren wir aber auch den Vereinten Nationen, dass wir weiterhin friedenssichernde Einsätze aktiv unterstützen wollen. Das ist umso wichtiger heute, wo unsere Aufmerksamkeit von so vielen Kriegen beansprucht wird, sowohl in Europa selbst als auch im Nahen Osten.

Trotzdem müssen wir realistisch bleiben, wenn es darum geht, was wir von einer Blauhelmmission in einer solchen Lage erwarten können. Sie kann politische Prozesse unterstützen, aber nicht ersetzen, und sie kann unerwünschte Nebenwirkungen haben, wenn es darum geht, die Akteure und Machthaber vor Ort in die Verantwortung zu nehmen. Wir sehen diese Probleme. Wir werden uns auf UN-Ebene der strategischen Debatte stellen, wie Friedensmissionen der Zukunft den Herausforderungen besser gerecht werden können. Im nächsten Jahr werden wir eine hochrangige Konferenz zum Thema Peacekeeping ausrichten, das sogenannte UN Peacekeeping Ministerial, und damit Impulse zur Weiterentwicklung der Friedenseinsätze geben.

Für die Menschen im Südsudan gibt es derzeit keine Alternative. Wo selbst die humanitären Helfer bedroht, attackiert oder gar ermordet werden, ist die Präsenz von UNMISS schlicht überlebensnotwendig. Es gibt daher auch keine Anti-UNMISS-Stimmung im Land, wie wir sie in Mali erlebt haben, weder bei der Bevölkerung noch bei der Regierung.

Im UN-Sicherheitsrat haben 13 von 15 Sicherheitsratsmitgliedern dafür gestimmt, darunter alle drei afrikanischen Mitgliedstaaten. Selbst China beteiligt sich mit Infanterie an der Mission und hat sich nur deswegen enthalten, weil ihm die Förderung von Rechtsstaatlichkeit zu weit geht – ein Fokus, der gerade für uns zentral ist und den wir nicht nur mit Polizistinnen und Polizisten unterstützen. So fördert unter anderem die Max-Planck-Stiftung vor Ort sowohl den Verfassungsprozess als auch die Vereinheitlichung der Rechtsprechung.

(Johannes Schraps [SPD]: Sehr wichtig!)

Der militärische Beitrag ist damit nicht isoliert zu betrachten. Er ist vielmehr eingebettet in einen breiteren Ansatz, der auch humanitäre Hilfe und regierungsferne Entwicklungszusammenarbeit umfasst.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Die Kosten für unseren Beitrag zu UNMISS sind mit 1,3 Millionen Euro für das nächste Jahr überschaubar. Ich bitte Sie daher, der Fortsetzung dieses Mandats zuzustimmen.

Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten sowie allen zivilen Helferinnen und Helfern, die sich unter diesen schwierigen und gefährlichen Umständen für die Menschen im Südsudan einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Nächster Redner ist der Kollege Joachim Wundrak, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)