Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung EUTM-Einsatz in Mali

19.04.2018

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherheit, Stabilität und Frieden sind in Mali wahrlich keine Selbstläufer. Seit 2013 bildet die Europäische Union im Rahmen einer Ausbildungsmission die malischen Streitkräfte aus. Ungefähr genauso lange begleiten die Vereinten Nationen im Rahmen der Friedensmission MINUSMA dort den politischen Prozess bei der Umsetzung des Friedensabkommens. Man muss trotzdem feststellen: Nach so vielen internationalen Bemühungen bleibt die Sicherheitslage sehr ernst, teilweise hat sie sich sogar verschlechtert.

Wenn wir heute zum sechsten Mal dieses Mandat für einen Einsatz in Mali beraten, dann müsste eigentlich die Frage nach der Wirksamkeit im Mittelpunkt stehen. Wir erwarten von der Bundesregierung endlich Antworten auf die vielen berechtigten kritischen Fragen nach der Rolle der Milizen, nach der Sicherheitslage und nach den Gründen für das Stocken des Friedensprozesses.

Jetzt rächt sich, dass Sie jahrelang nicht auf uns Grüne gehört haben. Wir haben bei allen Militäreinsätzen gefordert, dass eine unabhängige, eine kritische und eine ehrliche Evaluation durchgeführt wird;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn nur so kann man Fehler erkennen und die richtigen Schlüsse für diese, aber auch für andere Missionen daraus ziehen.

Meine Damen und Herren, was tut aber jetzt die Bundesregierung? Statt die notwendigen Verbesserungen auf den Weg zu bringen, ergänzen Sie ein im Kern durchaus sinnvolles Mandat um eine hochproblematische Komponente. Sie war bereits in den älteren Mandaten angelegt und in abgeschwächter Form enthalten, nun wird sie massiv ausgeweitet. Sie wollen die gemeinsame Eingreiftruppe der Staaten Niger, Tschad, Burkina Faso, Mauretanien und Mali – das sind die sogenannten G-5-Sahelstaaten – nun ertüchtigen.

Aus der Vergangenheit wissen wir: Ja, auch die malischen Streitkräfte haben Fehler begangen. Da gab es Verfehlungen; aber dort begleitet die internationale Gemeinschaft diese Ausbildung mit einem intensiven politischen Prozess. Nun wollen Sie aber Sicherheitskräfte in Staaten wie dem Tschad ausbilden, wo es diesen Prozess in keiner Weise gibt, wo sich eine Regierung mit Gewalt und Korruption an der Macht hält und wo die Truppen immer wieder in den Schlagzeilen sind, weil Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Dazu können wir nur sagen: Das, was Sie hier planen, ist kurzsichtig und riskant. Wir können Sie nur auffordern, von dieser Komponente dringend Abstand zu nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, diese Komponente steht für etwas, was wir in den letzten Jahren bei dieser Bundesregierung als Strategiewechsel beobachten konnten: weg von einer nachhaltigen Sicherheit, weg von Entwicklung und hin zu einer Schwerpunktsetzung auf Militär und Aufrüstung. Das ist insgesamt ein fahrlässiger und auch gefährlicher Kurswechsel.

Wer echte Sicherheit will, darf nicht nur auf Aufrüstung und einen vermeintlich schnellen sichtbaren Erfolg setzen. Wer echte Sicherheit will, braucht eine Ausbildung von Sicherheitskräften, die einen starken politischen Rahmen hat und einen umfassenden Ansatz verfolgt, zu dem auch Justiz, Polizei und Korruptionsbekämpfung gehören. Es braucht nicht nur bloße Ertüchtigung; vielmehr bedarf es einer echten Sicherheitssektorreform. Diesen Teil des Mandates sollten Sie ausbauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ohne Frage braucht auch die Sahelregion Unterstützung bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Wir Grüne haben in den vergangenen Jahren das Mandat mitgetragen. In vielen Regionen Malis ist die Ursache für die Probleme eine fehlende funktionierende und gerechte staatliche Ordnung. Dabei kann die Ausbildung lokaler Sicherheitskräfte durchaus ein wichtiger und sinnvoller Beitrag sein, wenn man langfristig selbsttragende Sicherheit erreichen will. Das Prinzip ist richtig, was aber fehlt, sind mehr Planung und mehr Nachhaltigkeit. Es ist auch eine zentrale Herausforderung, das verlorene Vertrauen in der malischen Bevölkerung an dieser Stelle zurückzugewinnen.

Eine zentrale Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, aber auch der Bundesregierung muss daher sein, Druck auf alle Beteiligten und insbesondere auf die malische Regierung auszuüben, dass die politischen Reformen, dass die Versöhnung, dass der Friedensprozess nicht weiter verschleppt werden, sondern wieder mit Tatkraft in Angriff genommen werden. Die Bundesregierung darf hier nicht jedes Jahr einfach nur schöne Reden halten, sondern Sie sollten aus den Fehlern lernen. Und vor allem sollten Sie eine echte Sicherheitssektorreform für Mali auf den Weg bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)