Rede von Boris Mijatović Fortsetzung KFOR-Einsatz im Kosovo

22.06.2022

Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stabilisierung von Frieden und Sicherheit im westlichen Balkan ist von zentraler Bedeutung für Deutschland und Europa. Das haben wir heute schon einige Male gehört, und es steht fest.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die verstörenden Bilder von Tod und Zerstörung schockieren uns zutiefst. Für die Menschen in der Region aber geht das noch tiefer. Die aktuellen Ereignisse reißen alte Wunden auf, sie bringen den Schmerz der eigenen jüngeren Vergangenheit zurück. Die Erinnerungen an das unfassbare Leid, das die Kriege auf dem westlichen Balkan über die Menschen brachte, zeigen uns: Der heutige Frieden in der Region ist vielleicht nicht perfekt, aber er ist verdammt kostbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das gilt auch für uns, für Europa als Ganzes. Denn weiterhin ist wichtig: Instabilität in der Region hat direkte Auswirkungen auf den ganzen Kontinent und auch auf Deutschland. Der westliche Balkan ist Teil Europas. Frieden und EU-Perspektive der Region haben für uns in Europa daher höchste Priorität.

Die Bundesregierung setzt sich mit dem in Rede stehenden Engagement dafür ein, die Stabilisierung der Region zu konsolidieren und die EU-Integration voranzubringen. Das haben der Bundeskanzler, Außenministerin Baerbock und Verteidigungsministerin Lambrecht mit ihren Reisen in die Region deutlich unterstrichen. Zudem haben wir mit Manuel Sarrazin erstmals einen Sondergesandten der Bundesregierung, der für die ganze Region im Einsatz ist. Diese Ernennung unterstreicht den politischen Einsatz der Bundesregierung für die Region. Sie verstärkt unsere Präsenz vor Ort und die Sichtbarkeit.

In meinen Gesprächen in Pristina mit unseren Partnern in der Region wird mir immer klar gesagt, neben unserem politischen Einsatz werde gerade jetzt auch unser sicherheitspolitisches Engagement in der Region nicht nur geschätzt, sondern auch weiterhin gebraucht. Das gilt sowohl für Kosovo als auch für Serbien. Beide unterstützen ausdrücklich den Einsatz KFOR. Der KFOR-Einsatz, an dem sich Deutschland mit seinen Soldatinnen und Soldaten seit 1999 beteiligt, ist eine Erfolgsgeschichte. Kosovo hat inzwischen ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen und bei der Konsolidierung der staatlichen Institutionen erhebliche Fortschritte erzielt.

Neben der Präsenz von KFOR trägt als Stabilisator auch das umfangreiche zivile EU-Engagement zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im Kosovo bei. Dieses umfasst unter anderem die Mission EULEX, die den Aufbau des Justiz- und Polizeiwesens unterstützt hat. Es umfasst auch die Arbeit der Kosovosonderkammern, die vor wenigen Wochen erste Urteile gefällt haben. Lassen Sie mich kurz ergänzen: Sonderkammern sind durchaus ein interessantes Instrument des Völkerstrafrechts. Sie sind ein wichtiges und deutliches Zeichen für die Entschlossenheit zur gerichtlichen Aufklärung der jüngeren Geschichte in einer Region, die viel erlebt hat. Das gebündelte und umfassende Engagement gemeinsam mit unseren Partnern in EU und NATO hat dazu beigetragen, dass die Menschen im Kosovo in Frieden und Sicherheit leben können. Es ist wichtig, dass wir diesen Beitrag unvermindert fortsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, Herausforderungen bestehen fort. Der weiterhin ungelöste Konflikt zwischen Serbien und Kosovo ist ein Hemmschuh für die Entwicklung der gesamten Region. Es ist zentral, dass beide Länder eine politische Lösung finden. Der EU-geführte Normalisierungsdialog ist dafür der richtige Weg. Wir unterstützen den EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak mit voller Kraft. Ziel des Dialogs ist ein umfassendes, nachhaltiges Abkommen, das beiden Ländern den EU-Beitritt ermöglicht und auch zur regionalen Sicherheit beiträgt. Ich unterstreiche hier noch mal und teile ausdrücklich die Auffassung des Bundeskanzlers Olaf Scholz, der in Belgrad auch die Frage der Anerkennung beider Länder angesprochen hat. Es ist nicht vorstellbar, dass zwei Länder, die sich nicht anerkennen, Teil der Europäischen Union werden.

Wir unterstützen darüber hinaus die überfällige Visaliberalisierung – ich hatte es vorhin schon gesagt – für das Kosovo. Bereits seit 2018 attestiert die EU-Kommission Kosovo die Erfüllung der hierfür notwendigen Kriterien. Der Wille im Kosovo zum EU-Beitritt ist stark ausgeprägt. Das für Ende des Jahres angekündigte Beitrittsgesuch ist aus unserer Sicht folgerichtig. Schließlich unterstützen wir auch die Aufnahme des Kosovos in den Europarat. Kollege Max Lucks arbeitet schwer daran; wir unterstützen ihn dabei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Woche konnte Miroslav Lajcak auch eine seit Langem erwartete Einigung zwischen Kosovo und Serbien im Energiestreit über die Stromversorgung im Norden Kosovos erreichen. Das ist ein wichtiger, positiver Schritt, der für Kosovo von großer Bedeutung ist. Die Bundesregierung, die sich in den letzten Monaten mit Nachdruck und Erfolg für diesen Dialog eingesetzt hat, unterstützen wir insgesamt bei diesem Vorhaben.

Bis wir eine politische Normalisierung der Beziehungen beider Länder erreichen, ist unser politisches und sicherheitspolitisches Engagement gleichermaßen wichtig. Noch wird KFOR weiter als Sicherheitsgarant in Kosovo gebraucht, um die erreichten Erfolge zu verstetigen und sie nicht aufs Spiel zu setzen. Daher ist es gut und folgerichtig, dass wir mit der Bundeswehr vor Ort sind. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die dort im Einsatz sind, dass sie hier mit Augenmaß arbeiten, dass wir mit KFOR Präsenz zeigen. Hierfür bitte ich Sie, auch im Namen der Bundesregierung, um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Markus Frohnmaier für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)