Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung Resolute-Support-Einsatz in Afghanistan
Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Mich hat bei mehreren Reden angesichts der wirklich dramatischen Situation in Afghanistan die Selbstgefälligkeit zutiefst irritiert. Denn ich finde, der Blick auf 20 Jahre ziviles und militärisches Engagement in Afghanistan tut vor allem weh. Die letzten Präsidentschaftswahlen haben wieder in einem politischen Patt geendet, überschattet von Betrugsvorwürfen. Nach wie vor sind Korruption und Klientelwirtschaft ein Riesenproblem, ebenso der Einfluss der Warlords. Wie vielfach vorhergesagt, konnten die Taliban eben nicht militärisch besiegt werden; sie verüben weiter brutale Anschläge und kontrollieren Gebiete. Die Sicherheitslage verschlechtert sich in vielen Regionen. Die jahrelangen Ausbildungsbemühungen für die Sicherheitskräfte sind leider keine Erfolgsgeschichte. Gleichzeitig hat Donald Trump im letzten Jahr in Afghanistan so viel bombardieren lassen wie schon lange nicht mehr.
Und Sie von der Bundesregierung, Sie, Herr Minister Maas, reagieren auf all das vor allem mit Durchhalteparolen und legen hier Jahr für Jahr das immer gleiche Mandat vor. Ich finde, man muss sich dieser schwierigen Realität stellen und endlich mit der Schönrednerei aufhören.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Und mit der Selbstgerechtigkeit!)
Meine Damen und Herren, die USA haben nun direkt mit den Taliban ein Abkommen verhandelt. So groß die Freude bei vielen Menschen in der letzten Woche über ein paar wenige Tage mit etwas weniger Gewalt war, so groß ist nun die berechtigte Sorge, ob dieser Minimalkonsens eigentlich halten wird und was darauf folgen kann. Es ist eine große Schwäche, dass dieser Prozess ohne die afghanische Regierung stattgefunden hat. Die Bundesregierung muss jetzt alles dafür tun, um diesen Fehler, soweit es eben möglich ist, zu korrigieren; denn anders wird es einen echten Friedensprozess gar nicht geben können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei all den Rückschlägen hat sich in den letzten Jahren gerade die Situation für Frauen verbessert. Am tatsächlichen Verhandlungstisch aber, wenn es um die Macht geht, fehlen genau ihre Sorgen und ihre Stimmen. Herr Minister Maas, hippe Social-Media-Beiträge und schöne Worte sind noch keine feministische Außenpolitik. Sie müssen die Beteiligung von Frauen gerade dann einfordern, wenn andere sie nicht ernst nehmen und sie lächerlich machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Die USA haben nun einen Abzug in den Raum gestellt, möglicherweise von mehreren Tausend Soldatinnen und Soldaten in sehr kurzer Zeit. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung darüber mit den USA in engen Gesprächen war. Trotzdem legen Sie uns aktuell ein völlig unverändertes Mandat vor. Sie können doch nicht erst beim nächsten Mandat anfangen, Abzugsszenarien auszuplanen. Wir erwarten, dass Sie in den Ausschüssen darauf eine Antwort geben. Spätestens dort wollen wir Ihre konkreten Pläne zu diesen Entwicklungen hören.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, wirklichen Einsatz zeigt diese Bundesregierung plötzlich dann, wenn es um Abschiebungen geht. Sie machen gerade richtig Druck auf die Landesregierungen, dass möglichst viele Menschen in das unsichere Land Afghanistan abgeschoben werden. Beenden Sie diese zynische und gefährliche Politik und stoppen Sie die Abschiebungen nach Afghanistan!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, bei allen Meinungsverschiedenheiten, die wir mit Blick auf diesen Einsatz haben, glaube ich, muss es jetzt um die sehr, sehr ernsten und schwierigen Fragen gehen: Wie sieht eine verantwortungsvolle Afghanistan-Politik auch nach dem Ende dieses Militäreinsatzes aus? Welche Möglichkeiten haben wir, die Menschen zu unterstützen, die sich nach Jahrzehnten brutaler Kriege für ein bisschen Frieden und eine gute Entwicklung in ihrem Land einsetzen? Das sind schwierige Fragen, über die wir gerne mit Ihnen allen weiter intensiv diskutieren wollen und müssen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Agnieszka Brugger. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Gisela Manderla.
(Beifall bei der CDU/CSU)