Rede von Jamila Schäfer Fortsetzung UNMISS-Einsatz im Südsudan

Jamila Schäfer MdB
30.03.2023

Jamila Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage im Südsudan ist leider nach wie vor sehr besorgniserregend. Etwa zwei Drittel der Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Millionen Menschen sind vor Gewalt, Hunger und Naturkatastrophen auf der Flucht, und auch die Vorfälle sexualisierter Gewalt sind leider zuletzt sogar gestiegen. Ich bin deshalb sehr froh, dass die Unterstützung für die deutsche Beteiligung an UNMISS in diesem Hause so groß ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Unsere Soldatinnen und Soldaten helfen mit den rund 18 000 uniformierten und zivilen Kräften der Vereinten Nationen, Schutzräume für die Bevölkerung zu schaffen, und das auch gerade außerhalb der noch halbwegs gesicherten Städte. Dafür gilt unseren Soldatinnen und Soldaten ein ausdrücklicher Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es gibt aber noch Herausforderungen. Der Leiter von UNMISS, Nicholas Haysom, hat Anfang März erneut an die fehlenden Kapazitäten der internationalen Polizeikräfte erinnert. UN-Polizistinnen und -Polizisten müssen mit 1 500 Einsatzkräften in den Geflüchtetencamps für 2,2 Millionen Menschen für ein Mindestmaß an Sicherheit sorgen – das ist eine fast unlösbare Aufgabe. Deshalb begrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung das internationale polizeiliche Engagement ausbauen möchte. Angesichts der unwürdigen Menschenrechtslage im Südsudan sollte unsere Unterstützung in der Region eine hohe Priorität haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Mit unserem Einsatz dort werden wir einer universellen Verantwortung gerecht. Alle Menschen haben das Recht, in Sicherheit, Würde und Freiheit leben zu können. Mädchen und Frauen haben das Recht, vor sexualisierter Gewalt geschützt zu sein, und junge Menschen haben das Recht auf Ausbildung, egal wo oder wann sie geboren werden. Für die Verteidigung dieser Menschenrechte sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch außerhalb unserer vier Wände verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wofür wir allerdings nicht verantwortlich sind, ist, den Menschen in Subsahara-Afrika oder anderswo zu erklären, was sie zu tun und zu lassen haben. Seit Jahrzehnten bedeutet Afrika-Politik im Globalen Norden leider vor allem, den eigenen wirtschaftlichen Vorteil im Fokus zu haben – ohne den selbstkritischen Blick auf die Kolonialverbrechen. Da ist es angesichts dieser europäischen Arroganz, die es in den letzten Jahrzehnten ehrlicherweise gegeben hat, nicht überraschend, dass Staaten wie China, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien in vielen afrikanischen Ländern auf mehr Sympathie stoßen.

(Zuruf des Abg. Gerold Otten [AfD])

Auch der Südsudan setzt auf China. Allein in den letzten drei Wochen hat Peking dem südsudanesischen Bildungsministerium 350 000 englische Textbücher geschenkt. China hat dem Wasserministerium die Finanzierung von knapp 50 Brunnen angekündigt und investiert stark in die Verkehrsinfrastruktur. Sie sehen also: China ist im Südsudan in zentralen Bereichen tätig.

Wir wissen alle, warum China, aber auch andere autokratische Staaten, in Afrika aktiv sind: Sie kommen mit schnellen Investitionen, ohne Fragen nach Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit, und finden dafür dann Absatzmärkte und Rohstoffe und vor allem natürlich auch strategischen Einfluss auf der Weltbühne. Die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsstandards, aber auch die Achtung der Menschenrechte spielen dabei eben keine große Rolle. Die Kritik daran ist jedoch ohne selbstkritischen Blick aus dem Westen auch unglaubwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

China und andere können in Afrika so agieren, weil wir in Europa lange Zeit nicht willens waren, aus der meist fehlenden Aufarbeitung der europäischen kolonialen Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen – Schlüsse, die eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, so wie sie oft vor sich hergetragen wurde, tatsächlich zulassen. Ich bin froh, dass diese Bundesregierung und unsere Außenministerin Annalena Baerbock und auch unsere Kulturstaatsministerin Katja Keul einen anderen Weg einschlagen. Denn sie haben erkannt, dass Deutschland und auch die Europäische Union eine Bringschuld haben. Wir müssen beweisen, dass wir im Zuge der jetzt erst beginnenden kolonialen Aufarbeitung verstehen, wie wir ohne Paternalismus und mit Respekt unseren afrikanischen Partnern begegnen können.

Während chinesische Außenminister stets ihre erste Auslandsreise in Afrika absolvieren, haben wir in Europa in der Vergangenheit oft Unterabteilungsleiter geschickt und als Gegenüber die Staatsführung erwartet. Nichts gegen Unterabteilungsleiter, aber ich glaube, es wird klar, was damit gemeint ist. Im gemeinsamen Interesse für die regelbasierte und multilaterale Ordnung müssen wir ansprechende Angebote machen, die auch für kleinere Staaten und vor allem für die lokale Bevölkerung attraktiv sind. Wir müssen beweisen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit für eine regelbasierte Ordnung attraktiver und nachhaltiger ist als die Zusammenarbeit mit Autokraten.

Wir können endlich einen breitangelegten Technologietransfer anbieten. Das ist zum Beispiel genau das, was wir bei den Covid-Impfstoffen verpasst haben, und da haben wir leider viel Glaubwürdigkeit verspielt. Gerade die Energiewende beispielsweise birgt viele Chancen für eine gute Zusammenarbeit zwischen den Kontinenten und auch für die Wertschöpfung vor Ort. Das drängt Jugendarbeitslosigkeit zurück und schafft gute neue Arbeitsplätze. Also: Statt paternalistisch zu sagen, wo es langgehen muss, können wir in partnerschaftlicher Zusammenarbeit gemeinsam eine neue und bessere Zukunft bauen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort die Kollegin Annette Widmann-Mauz.

(Beifall bei der CDU/CSU)