Rede von Dr. Kirsten Kappert-Gonther Frauen im Gesundheitswesen

13.12.2018

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 70 Prozent der Medizinstudierenden sind heute Frauen, 46 Prozent der niedergelassenen Ärzteschaft sind heute weiblich, und natürlich sind die Hälfte der Versicherten Patientinnen. Aber in den Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens kommen auf eine Frau neun Männer. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwei von drei Beschäftigten der gesetzlichen Krankenkassen sind weiblich. Sie können ja mal überlegen, mit welchem Anteil die Frauen in den Vorständen vertreten sind. Sie liegen zwischen 0 und 21 Prozent. Da stimmt doch was nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Die Expertise, die Erfahrung von Frauen kommt in den Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens kaum vor. Das macht doch keinen Sinn.

In meiner Heimatstadt Bremen sind im Vorstand der Ärztekammer drei Frauen und zwei Männer. Ich finde, das ist ja schon mal was.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])

Trübe Sicht herrscht allerdings bei den Kassenärztlichen Vereinigungen: Die Mehrheit hat kein einziges weibliches Mitglied im Vorstand.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: In Schleswig-Holstein schon! Wir haben eine Vorstandsvorsitzende!)

Die gläserne Decke ist im Gesundheitswesen genauso dick wie in DAX-Konzernen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch nicht nur ungerecht – es ist vor allem unklug. Wir wissen, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob Frauen mitentscheiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ohne Quote geht es offensichtlich nicht. Damit endlich die Kompetenz von Frauen nicht mehr so oft verloren geht, brauchen wir die Quote.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie führt zu besseren Ergebnissen, nicht nur, weil gemischte Teams erfolgreicher arbeiten. Gerade im Gesundheitswesen ist die Perspektive für Frauen so entscheidend.

Nehmen Sie den jüngsten Medizinprodukteskandal. Frauen sind von fehlerhaften Medizinprodukten besonders häufig betroffen. Warum ist das so? Weil die Prothesen und die Implantate in der Regel an Männern getestet werden, im Übrigen genau wie Medikamente.

(Fabian Jacobi [AfD]: Ist es nicht normalerweise so, dass Testpersonen das freiwillig machen?)

Ich habe mich schon oft gefragt, ob die Situation der Hebammen, ob die Ausstattung in den Kreißsälen vielleicht besser wäre, wenn Männer Kinder bekämen oder wenn eben mehr Frauen im Gesundheitswesen mitentscheiden würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Superspannend ist eine Studie der Universität von Minnesota, die an 580 000 Herzpatienten und -patientinnen – über eine halbe Million – durchgeführt wurde. Das Ergebnis ist: Wenn Frauen von Frauen behandelt werden, haben sie eine deutlich höhere Überlebenschance, als wenn sie einen männlichen Arzt haben. Ja, manche Männer erleben die Quote als Bedrohung.

(Fabian Jacobi [AfD]: Eigentlich nur als Dummheit! – Jürgen Braun [AfD]: Das ist einfach nur blöd! – Weiterer Zuruf von der AfD: Das ist dummes Zeug!)

Viele Männer aber wissen, dass die Frauenquote gerade keine Drohung ist, sondern ein Versprechen – ein Versprechen für mehr Gerechtigkeit, für mehr Gleichberechtigung, und das kommt uns allen zugute: Frauen, Männern – allen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch viele Männer wünschen sich mehr Zeit für Fürsorge, mehr Zeit für Familie. Das geht, wenn wir alle Lebensbereiche besser und gerechter aufteilen. Das ist schöner, und die Ergebnisse sind besser.

(Zuruf des Abg. Leif-Erik Holm [AfD] – Gegenruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Männer von der AfD!)

Wir wissen: 70 Prozent der Abgeordneten in diesem Deutschen Bundestag sind Männer. Ich bin gespannt, wie viele von ihnen realisieren, dass das Aufbrechen verkrusteter Rollenbilder allen mehr Freiheit bringt.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Unsere Bundeskanzlerin hat es kürzlich gesagt – ich zitiere sie –: „… das Ziel muss Parität sein, Parität überall“ –

(Fabian Jacobi [AfD]: Das Ziel ist die Diktatur! – Jürgen Braun [AfD]: Ihre Kanzlerin mal wieder als Diktatorin!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

ob in der Politik, in der Wirtschaft, in der Verwaltung. Recht hat sie.

(Fabian Jacobi [AfD]: Was haben Sie nicht verstanden?)

Ich ergänze: auch im Gesundheitswesen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fabian Jacobi [AfD]: Unglaublich!)