Rede von Dr. Ingrid Nestle Gas- und Strompreisbremse

Foto von Ingrid Nestle MdB
23.06.2023

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute den zweiten Teil der Novelle zu den Preisbremsen. Zur Erinnerung: Im letzten Herbst haben wir eine ganze Menge Geld lockergemacht, um zumindest einen Teil der Härten zu lindern, die sich daraus ergeben haben, dass unsere Abhängigkeit vom fossilen Gas, unsere Abhängigkeit von Russland zu massiven Preissteigerungen geführt hat. Es hat sich dann ein kleiner Änderungsbedarf aufgetan. Davon haben wir die ganz eiligen Sachen in einem Eilverfahren bearbeitet. Heute kommen die Dinge, die im normalen, im geordneten Verfahren stattfinden. Diese Aufsplittung ist gut so; denn dort, wo die Zeit da ist, wollen wir die Zeit auch nutzen für Beratungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es ist auch tatsächlich gelungen, ein paar gute Punkte in dieser Novelle zu vereinbaren. Das sind zum einen Regeln, die Unternehmen unterstützen, die bisher von den Preisbremsen nicht so gut profitieren konnten, etwa weil sie wegen Corona oder wegen der Flutkatastrophe im Ahrtal in 2021 einen untypisch geringen Energieverbrauch hatten. Wir haben im parlamentarischen Verfahren diese Regeln noch einmal nachgebessert. Ich freue mich sehr, dass wir diesen Unternehmen jetzt mehr Unterstützung zukommen lassen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Was ist denn mit den Privaten?)

– Ich habe Sie leider nicht verstanden. Aber stellen Sie gern eine Zwischenfrage; ich freue mich.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Was ist mit den privat Betroffenen, mit den Bürgern, deren Heizungen weggeschwommen sind?)

– Die Bürger?

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wer ist das denn? Die Bürger?)

Das ist der Punkt. Ich komme eigentlich gleich zu Ihrem Entschließungsantrag. Aber es ist immer nett, auf Zwischenfragen einzugehen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist keine! Das ist jetzt Ihre Redezeit!)

Die Bürger sind im Standardlastprofil. Das Standardlastprofil wird überall da, wo die Netzbetreiber ordentlich arbeiten, sowieso an die Prognose angepasst und ist nicht vom Standardjahr 2021 abhängig,

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das machen die Netzbetreiber nicht! Das wird nicht gemacht!)

weshalb das in diesem Fall gar nicht zutrifft und auch Ihre Forderung im Entschließungsantrag an dieser Stelle ins Leere läuft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Kruse [FDP])

Ich will aber vorher noch zwei andere Dinge nennen, die wir in diesem Gesetz regeln und die mich auch sehr freuen: Wir haben zum einen eine Regelung gefunden, um Menschen, die mit Strom heizen, die Nachtspeicheröfen haben mit einem Tag/Nacht-Tarif, noch einmal besonders zu unterstützen; denn auch an dieser Stelle sind besondere Härten aufgetreten. Dass wir für sie etwas tun konnten, darüber freue ich mich sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zum anderen konnten wir weitere Verbesserungen erzielen für Schienenbahnen, die den Betrieb neu aufgenommen oder aufgestockt oder elektrifiziert haben. Ich denke, auch das ist ein guter Punkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, ich verstehe nicht ganz, warum Sie all diesen guten Punkten nicht nur nicht zustimmen, sondern tatsächlich mit Nein, gegen diese Punkte, stimmen.

(Beifall der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Schwach! Schwach, Union!)

Ich will einmal auf die Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag angeführt haben und wo Sie Änderungen wollen:

Erstens. Ja, Sie wollen genau diese Ausnahmen auch für die Unternehmen, die wegen der Coronakrise oder der Ahrtalkatastrophe Probleme hatten. – Ja, die wollen wir auch. Ja, wir haben nachgebessert. Wir sind da auf dem gleichen Weg.

Zweitens. Sie wollen, dass Kommunen eine Regelung bekommen, wonach 20 Prozent des Energieverbrauchs für wirtschaftliche Tätigkeiten unschädlich sind, so wie bei den Forschungseinrichtungen. – Ja, das wollen wir auch. Wir haben es aber geprüft. Das ist EU-rechtlich nicht möglich, weil die EU-Regelung, auf die Sie sich beziehen, auf Forschungseinrichtungen beschränkt ist. Sie fordern also etwas, was gar nicht geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Drittens. Sie fordern, dass beihilferechtlich bedingte Auflagen und Hürden wie EBITDA usw. abgebaut werden. – Ja, auch da sind wir bei Ihnen. Ja, wir haben gekämpft. Und nein, auch Sie hätten in Brüssel an der Stelle nicht mehr erreicht als wir.

Viertens. Sie wollen mehr Unternehmen einbeziehen und komplizierte aktuelle Energieintensitäten miteinrechnen. – Mehr Bürokratie.

Fünftens. Sie wollen die eingeführte Erlösabschöpfung ersatzlos streichen. – Passiert in ungefähr einer Woche.

Dann folgen mehrere Punkte, die sich nur auf die Erlösabschöpfung beziehen. – Die zu ändern, wäre gar nicht mehr sinnvoll, weil die Erlösabschöpfung ja ausläuft. Übrigens haben wir die Zusammenfassungsregel bei Biogas gar nicht mehr geändert, weil die Erlösabschöpfung sowieso ausläuft.

Dann haben Sie noch eine sehr bürokratische Forderung, nämlich die Benachteiligung von Verbrauchern zu beenden, die im Januar oder Februar gewechselt haben. – Ja, auch das haben wir geprüft. Das wäre wirklich sehr kompliziert. Ich bin nicht sicher, ob Sie diese Bürokratie wirklich wollen.

In Ihrem allerletzten Punkt wollen Sie schon mal Berichtspflichten streichen, bevor überhaupt klar ist, ob das Ganze so bleibt.

Ich bin jetzt wirklich jeden einzelnen Punkt Ihres Entschließungsantrags durchgegangen. Ich erkenne keinen einzigen, der ernsthaft gegen diesen Gesetzentwurf spricht. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde ich mich sehr freuen, wenn wir uns gemeinsam einsetzen für die Unternehmen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

die durch die Flutkatastrophe und durch Corona in Schwierigkeiten geraten sind, für die Schienenbahnen und für die Menschen, die aufgrund ihres Heizstromsystems unter den hohen Strompreisen besonders gelitten haben. Ich glaube, dass wir hier ein sehr, sehr gutes Gesetz auf den Weg bringen.

Es gibt noch einen anderen Teil in diesem Gesetz. Ja, wir beschränken uns nicht darauf, die Symptome zu behandeln, die aufgetreten sind, weil wir so abhängig waren vom Gas, weil wir so abhängig waren von Russland durch Ihre Politik. Nein, wir behandeln nicht nur die Symptome, sondern wir gehen auch die Ursache an, indem wir dafür sorgen, dass es bezahlbare, erneuerbare Energie gibt, damit wir unabhängig werden.

Wir haben eine ganze Reihe von Regelungen wiederaufgenommen, die den Ausbau der Windenergie beschleunigen, indem wir den Ländern mehr Rechte einräumen, die die Regeln verlängern, wo wir im Winter mehr Bioenergie produzieren können, die klarstellen, dass eine Regel aus dem EU-Recht, nämlich dass Solaranlagen leichter ans Netz angeschlossen werden können, auf jeden Fall hier funktioniert – da gab es Unsicherheiten –, und ja, dass der vorzeitige Baubeginn für große HGÜ-Trassen tatsächlich noch zum nächsten Bauzeitfenster kommt und wir wahrscheinlich ein ganzes Jahr sparen werden.

Alle diese Regeln sind neben all dem, was wir in den letzten Monaten, ja, Jahren schon getan haben, der nächste Baustein, um wirklich die Lösung zu schaffen. Die Versorgung mit erneuerbaren Energien, kostengünstig und unabhängig: Das ist die Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)