Rede von Dr. Robert Habeck Gasspeicheranlagen

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17.03.2022

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Guten Abend, sehr geehrte Damen und Herren! Der Tag begann mit einer bedenkens- und bemerkenswerten Rede des ukrainischen Präsidenten, und er endet – noch nicht ganz, aber er geht zu Ende – mit einer Debatte über das Gasspeichergesetz. Beides steht in einem unmittelbaren Zusammenhang, wenngleich die dringenden Worte des ukrainischen Präsidenten sich nur in einem Teil in diesem Zusammenhang wiederfinden und der Komplex natürlich weit größer ist.

Dennoch gibt es einen Zusammenhang: Wir haben uns in der Vergangenheit nicht gut genug auf krisenhafte Situationen vorbereitet und sind jetzt nicht in der Lage, alles zu tun, was wir tun könnten, um der Ukraine zu helfen. Woran liegt es? – Wir waren in der Vergangenheit blind gegenüber der Tatsache, dass Energie und Energiepolitik nicht alleine ein wirtschaftliches Themenfeld ist, sondern immer auch Geopolitik und in diesem Fall Machtpolitik bedeutet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben in Deutschland das größte Gasspeichervolumen innerhalb der EU: 24 Milliarden Kubikmeter können dort unter der Erde gelagert werden, an 32 Standorten in 46 Gasspeichern in Deutschland. Diese Gasspeicher decken, wenn sie denn voll wären, ungefähr ein Viertel des Jahresverbrauchs in Deutschland ab; 90, 95 Milliarden Kubikmeter Gas verbrauchen wir jedes Jahr in Deutschland, das meiste – dies nur rückblickend zu der Atomdebatte, die heute Morgen kurz aufblitzte – für Wärme und für Industrie. Nur 15 Prozent gehen in die Stromproduktion für Peak-Runner-Kraftwerke – nur, um es einmal zu sortieren. Diese Füllstände waren Anfang des Jahres sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie betragen jetzt 25 Prozent. Schon damals waren sie sehr niedrig. Warum war das so? – Weil der größte Speicher und einige der größten Speicher, die Gazprom gehörten, über den Sommer, wo Speicher eigentlich gefüllt werden, entleert wurden.

Offensichtlich wurde also die machtpolitische Konfrontation, die wir erleben, da schon systematisch vorbereitet. Als ich Minister wurde und in den ersten Rücksprachen mit dem Thema befasst war, fragte ich: Wie lange reichen die Speicherstände noch? Die Antwort war: Wenn es lange kalt wird, noch zehn Tage. – Das wiederum ist für einen beginnenden Winter eine bedenkliche Aussage. Und als die Frage dann war: „Was kann ich dagegen tun?“, war die Antwort: Gar nichts. Wir haben einen komplett deregulierten Markt; das entscheidet immer nur der Preis und der Markt.

Nun sehen wir den Schlamassel. Wir wären nicht über den Winter gekommen, wenn wir nicht gegen die Markttendenzen schon ab Dezember angefangen hätten, auf dem Markt zusätzliche Gasmengen zu kaufen bzw. die Käufer zu unterstützen, diese Mengen einzulagern. Jetzt kommen wir über den Winter. Aber für den nächsten Winter sollte uns diese Situation nicht noch einmal passieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen dieses Gesetz. Es verpflichtet die Betreiber der Gasspeicher, Gas einzulagern. Das wollen sie aber auch, außer sie haben Ungutes im Sinn. Es gibt Daten für die Mengen: Zum 1. Oktober müssen die Speicher bei 80 Prozent sein, zum 1. Dezember bei 90 Prozent, und zum 1. Februar dürfen sie bei nur 40 Prozent sein.

Es gibt eine zweite Regelung, die – plattdeutsch – Use-it-or-lose-it-Regelung, das heißt: Entweder ihr macht das, oder ihr verliert die Zugriffe auf die Speicherkapazitäten, und andere machen es für euch, im Zweifelsfall der Staat.

Es gibt hohen Handlungsbedarf. Damit diese großen Gasmengen eingekauft werden können – und hoffentlich nicht alleine bei Russland eingekauft werden können –, muss das Gesetz zeitnah Gesetzeskraft bekommen, im Idealfall zum 1. Mai. Deswegen bitte ich dieses Hohe Haus um Unterstützung sowohl für den Inhalt des Gesetzes wie auch für schleunigste Beratungen, sodass wir in den nächsten Winter gestärkt, resilienter, robuster gehen können und nicht ganz so antwort- und wortlos auf die nächsten Bitten der ukrainischen Regierung agieren müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Letzter Satz. Das Einlagern der Gasmengen ist ein Bestandteil einer Strategie. Der zweite ist natürlich die Diversifizierung. Wir sollten möglichst jetzt schon wenig Gas von Putin-Russland kaufen.

Das Dritte aber ist – ich will es nicht verschweigen –, den Gasverbrauch sowie den Verbrauch von allen fossilen Energien in Deutschland und in Europa zu senken. Wir haben das in den letzten Jahren immer als Bestandteil von Klimaschutzpolitik diskutiert; jetzt ist es ein Bestandteil von nationaler Sicherheitspolitik.

Sparen wir Gas ein, wo wir können. Setzen wir auf Energieeffizienz. Sanieren wir unsere Gebäude. Sorgen wir dafür, dass der Energiehunger nach fossilem Gas nicht noch künstlich hoch gehalten wird. Verzichten wir darauf, Gasheizungen in neue Häuser einzubauen. Tauschen wir die alten Gasheizungen und die alten Ölheizungen endlich aus. Sorgen wir dafür, dass wir Klimaschutz und Geopolitik zusammenbringen, um energiepolitisch wieder handlungsfähig zu werden und außenpolitisch eine Souveränität zu halten, die heute Morgen hier von uns erbeten wurde.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Fabian Gramling spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion; auch er spricht zum ersten Mal in diesem Haus.

(Beifall)