Rede von Andreas Audretsch Generaldebatte Bundeskanzleramt

Andreas Audretsch MdB
23.11.2022

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Chrupalla, die Propaganda Moskaus hier im Bundestag anhören zu müssen, ist immer wieder unerträglich. Aber Ihnen laufen ja mittlerweile schon die eigenen Abgeordneten weg.

(Stephan Brandner [AfD]: Lernen Sie erst mal was Vernünftiges, Herr Audretsch, bevor Sie große Reden schwingen!)

Das zeigt, glaube ich, sehr deutlich, dass es auch in Ihrer Fraktion einige gibt, denen auffällt, dass Sie nichts anderes tun, als hier die Propaganda Moskaus

(Stephan Brandner [AfD]: Haben wir gerade gehört, mit den Berufsabbrechern!)

zu verbreiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das, was wir in dieser Zeit tun, ist, erstens uns um die Menschen zu kümmern und zweitens das Land zu modernisieren.

(Stephan Brandner [AfD]: Lernen Sie erst mal was Vernünftiges!)

Wir kümmern uns auch um die Kulturbranche in diesem Land. Sie hat einen sehr, sehr schwierigen Stand, der nicht nur dieser Krise geschuldet ist. Das hat in Coronazeiten begonnen, als viele Menschen nicht mehr ins Theater und nicht mehr in Lesungen gegangen sind. Das hat sich bis heute noch nicht wieder normalisiert. Deshalb fällt es den Theatern und Kultureinrichtungen schwer, die jetzt steigenden Energiepreise auf die Tickets umzulegen. Genau deswegen ist es auch für die Kulturbranche so wichtig, dass Robert Habeck die Gaspreisbremse auf den Weg bringt und dass Robert Habeck die Strompreisbremse auf den Weg bringt. Aber wir begnügen uns nicht damit. Wir nehmen auch die Kulturbranche noch einmal ganz gezielt in den Blick und haben dafür 1 Milliarde Euro extra im Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Verfügung gestellt. Eines muss klar sein: Wir sehen die Kulturbranche, und wir haben genau diese Branche jetzt im Blick.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP])

Wir haben nicht nur die Institutionen im Blick; wir haben auch die Menschen in dieser Krise im Blick. Schon im Jahr 2022 haben wir die Künstlersozialkasse so stabilisiert, dass die Beiträge jetzt nicht durch die Decke gehen. Was wir auch machen – deswegen ist es so wichtig, was heute Abend im Vermittlungsausschuss passiert –: Wir stärken Freischaffende, wir stärken Selbstständige durch das Bürgergeld. Auch deswegen ist es so wichtig, dass es heute Abend im Vermittlungsausschuss verabschiedet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Schauen wir auf die Karenzzeit. Was machen wir mit der Karenzzeit? Die Karenzzeit gibt gerade Freischaffenden, gerade Kulturschaffenden, Sicherheit, dass sie, wenn sie in eine Notsituation kommen, nicht als Allererstes die Wohnung aufgeben müssen, sondern sich darauf konzentrieren können, dass es weitergeht – und genau diese Leute haben häufig einen Plan, wie es weitergehen kann –, dass sie nicht ihr bisschen Erspartes direkt abgeben müssen, wenn sie ins Bürgergeld fallen, dass nicht die Altersvorsorge, die sie monate- und jahrelang durch ihre Arbeit angespart haben, sofort weg ist, wenn sie ins Bürgergeld fallen. All das hilft Selbstständigen, all das hilft Freischaffenden. Deswegen ist das Bürgergeld auch mehr Sicherheit für Kulturschaffende.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es geht uns um akute Hilfe. Es geht uns aber auch darum, Kunst und Kultur langfristig in Deutschland wachsen zu lassen und zu stärken. Und genau das macht Claudia Roth jetzt mit einem ganz großartigen Projekt. Wir werden den Kulturpass auf den Weg bringen und haben dafür 100 Millionen Euro mit diesem Haushalt zur Verfügung gestellt. Wenn Jugendliche 18 Jahre alt werden, dann soll jede und jeder 200 Euro bekommen, um damit Kultur vor Ort zu erleben. Das ist so wichtig für Jugendliche, die gerade in der Coronazeit kein Livekonzert erleben konnten, die gerade in der Coronazeit keine Lesungen in der Kneipe erleben konnten, die so viel nicht erleben konnten. Nach dieser Coronazeit bei Jugendlichen die Lust an Kultur zu wecken, ihnen Zugänge zu eröffnen, die Vielfalt der kulturellen Landschaft vor Ort zu erleben, all das schaffen wir jetzt mit dem Kulturpass. Das ist ein großartiger Fortschritt, den die Kulturstaatsministerin hier in Deutschland auf den Weg bringen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Dürr [FDP])

In Frankreich gibt es das seit Langem. Jetzt holt Claudia Roth das nach Deutschland. Das ist ein großer Schritt für die Kulturbranche hier im Land.

Der Haushalt 2023 ist der erste, den die Ampelregierung und das Parlament hier ohne Vorarbeit der alten Großen Koalition auf den Weg bringen. Jetzt sieht man immer deutlicher den Kurswechsel, den wir vornehmen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, Klimapolitik endlich konsequent zum Teil von Kulturpolitik zu machen. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: Was beim Museum des 20. Jahrhunderts am Berliner Kulturforum geplant wurde, hat klimapolitisch nichts mit einem Kulturbau des 21. Jahrhunderts zu tun. So wie das Museum ursprünglich gedacht war, ist es ein einziger Klimaalbtraum. Zum Vergleich: Es würde circa viermal so viel Energie verbrauchen wie das Alte Museum hier in Berlin – nur, dass das Alte Museum 200 Jahre alt ist.

Dies ist ein Beispiel für eine ganz spezielle Haltung, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gesehen haben. Wir haben als Gesellschaft so geplant, so gebaut, so gelebt, als wären wir die Könige der Welt, so geplant und gebaut, als gäbe es unbegrenzt billige Energie, als gäbe es die Klimakrise nicht, als gäbe es kein Morgen mehr. Damit muss Schluss sein. Das kann so nicht weitergehen. Deswegen werden wir umplanen, und deswegen stellen wir im Etat genau dafür 10 Millionen Euro zur Verfügung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden neu planen, neu bauen und das Nötigste angehen. Ziel ist es, einen Kulturbau zu haben, der mit seinem Energiehunger nicht mehr dazu beiträgt, dass wir die Lebensgrundlagen, auf die wir angewiesen sind, zerstören. Damit geht eines einher: Das muss eine Wegmarke sein; wir dürfen in Zukunft nicht mehr so planen, nicht mehr so bauen, sondern müssen klimapolitisch den nächsten Schritt in der Kulturpolitik gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Nicht zuletzt: Kulturpolitik ist immer auch Demokratiepolitik. Wenn Menschen sich abends zum Singen treffen, wenn Menschen im Chor zusammenkommen, dann gibt das ein Gefühl, das Gefühl, gemeinsam etwas zu schaffen. Deswegen haben wir zwei neue Fonds auf den Weg gebracht, zum einen einen Fonds für Amateurmusik – 5 Millionen Euro stellen wir dafür zur Verfügung – und zum anderen einen Festival-Förder-Fonds mit ebenfalls 5 Millionen Euro. Wenn Menschen gemeinsam Kultur erleben, wenn Menschen gemeinsam etwas unternehmen, dann sind das nicht die Menschen, die am Ende denen hinterherlaufen, die Hass verbreiten und Menschen gegeneinander aufwiegeln.

Insofern ist dieser Etat ein Krisenetat, ein klimapolitischer Etat und auch ein Etat für mehr Demokratie in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun Otto Fricke das Wort.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)