Rede von Karl Bär Genomische Techniken in der Landwirtschaft

Karl Bär MdB
16.03.2023

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen! Wir reden auf Antrag der CDU/CSU mal wieder über Gentechnik in der Landwirtschaft. Das ist nicht nur hier in Deutschland ein Thema. Mexiko zum Beispiel riskiert gerade einen Handelsstreit mit den USA, weil sie gentechnisch veränderten Mais für die menschliche Ernährung verbieten wollen. Für den Fall, dass mir die mexikanische Regierung zuhört: Bleiben Sie hart! Die Menschen werden es Ihnen danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Maispflanze stammt ursprünglich aus Mexiko, also aus einer warmen Klimazone. Ich habe mich neulich mit einer Maiszüchterin, Grietje, unterhalten, die sich vor einigen Jahren gedacht hat: Es wäre gut, wenn es Maissorten gäbe, die besser an das Klima in Nordeuropa angepasst sind. – Mit dieser Idee hat sie ein Unternehmen gegründet und moderne Ertragssorten mit Material aus Genbanken gekreuzt. Innerhalb von zehn Jahren ist es ihr gelungen, die – nach ihrer eigenen Aussage – am frühesten reife Maissorte der Welt auf den Markt zu bringen. Für die Landwirtschaft in Nordeuropa mit den kurzen Sommern ist das ein echter Mehrwert. Das Unternehmen hat inzwischen in den Niederlanden einen Marktanteil von 30 Prozent und arbeitet an der Weiterentwicklung dieser kältetoleranten Maissorten für nachhaltige Anbausysteme, die mit weniger Pestiziden auskommen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut so!)

Das ist Zuchtfortschritt, und dafür brauchen wir keine Gentechnik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Beispiel zeigt noch was anderes. Dieses junge, wachsende und innovative Unternehmen steht vor einem Problem. Die KWS, einer der großen Player auf dem Saatgutmarkt, hat sich Gene patentieren lassen, die dafür sorgen, dass Mais besser mit Kälte klarkommt, Gene, die es schon längst in Maissorten gibt. Aber dadurch, dass die KWS diese Gene mit der patentierten CRISPR/Cas-Technologie einbauen kann, werden sie selbst patentierbar. Für Grietjes Firma bedeutet das Abhängigkeit von einem großen Konkurrenten, hohe Kosten für Analysen, Rechtsberatung und Lizenzgebühren.

Wenn wir über Hemmnisse für innovative Züchtung sprechen wollen, dann müssen wir darüber reden, wie sich wenige große Konzerne mithilfe dieser neuen Gentechnikmethoden das Erbgut von Kulturpflanzen und Nutztieren aneignen und das Züchterprivileg aushebeln. Das ist nämlich die Realität, und dagegen müssen wir etwas tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ina Latendorf [DIE LINKE])

Im Antrag der Union kommt dieses Thema nicht vor. Entweder interessiert Sie nicht, dass sich Großkonzerne die Grundlagen unserer Ernährung aneignen, oder Sie finden das sogar gut. Stattdessen sprechen Sie wieder davon, mit Gentechnik den Hunger auf der Welt zu bekämpfen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui!)

Ich würde gerne mit Ihnen den Hunger auf der Welt bekämpfen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit der ökologischen Landwirtschaft werden Sie den Hunger nicht bekämpfen! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Straubinger, erzählen Sie nicht wieder Unsinn! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Wir könnten endlich mal mit dem Unfug aufhören, Getreide, Raps oder Rüben als Treibstoff zu verwenden. Das würde sofort helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es hungert doch niemand, weil in der Europäischen Union gentechnisch veränderte Lebensmittel als solche gekennzeichnet werden müssen. Genau darum geht es politisch gerade. Die EU-Kommission hat angekündigt, am 7. Juni einen Vorschlag für eine Reform des europäischen Gentechnikrechts vorzulegen, und nach allem, was wir bisher wissen, wird sie vorschlagen, dass bestimmte, mit den neuen Methoden geschaffene Produkte nicht mehr in einem Zulassungsverfahren geprüft werden müssen

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das wäre doch mal gut!)

und nicht mehr für die Verbraucher/-innen gekennzeichnet werden müssen.

Sie begrüßen diese Initiative in Ihrem Antrag, reden aber um den heißen Brei herum. Deswegen probiere ich es jetzt mit ein paar klaren Aussagen. Wir wollen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen gekennzeichnet werden müssen, und zwar verpflichtend, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was sie essen. Das ist Transparenz, und nur das ermöglicht Wahlfreiheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben nichts gegen Transparenz!)

Wir wollen, dass Bäuerinnen und Bauern, die ohne Gentechnik arbeiten wollen, das tun können. Das sind nicht nur die Biobetriebe, aber besonders die. Das heißt: Wenn jemand genmanipuliertes Saatgut verwenden will, dann muss er seine Nachbarn informieren, Abstände einhalten und gegebenenfalls für Schäden haften.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was für Schäden?)

Wir wollen, dass Produkte, die mit dieser machtvollen neuen Technologie geschaffen wurden, einer Risikoprüfung unterliegen, bevor sie gegessen werden und bevor sie in die Umwelt freigesetzt werden;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das fordern wir doch! Das genau steht im Antrag drin! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das fordern wir!)

denn wir können sie wahrscheinlich nie wieder zurückholen.

Zu diesen Fragen – Wahlfreiheit für Verbraucher/-innen, Koexistenz mit dem Ökolandbau, Vorsorge- und Verursacherprinzip – müssen wir uns alle verhalten. Ich bin froh, dass Steffi Lemke heute angesichts des Umweltministerrats in Brüssel zu diesen Prinzipien Ja sagt. Das entspricht auch den Wünschen der großen Mehrheit der Menschen in Deutschland und Europa. Wenn Sie auf der Tribüne oder zu Hause an den Bildschirmen zu dieser großen Mehrheit gehören, aber gerade das Gefühl haben, dass wir wahrscheinlich ohnehin überrannt werden von den großen Chemiekonzernen und ihren Produkten, dann kann ich nur sagen: Nein, so leicht lassen wir uns nicht überrennen.

Denken wir 25 Jahre zurück! Da waren schon mal alle relevanten Institutionen, von der EU-Kommission bis zum Bauernverband, für die Gentechnik in der Landwirtschaft. Schon über die damaligen Technologien, die alte Gentechnik, haben Nobelpreisträger hochmoralische Texte über den Hunger in der Welt und Pestizidreduktion, über angepasste Sorten und höhere Erträge geschrieben. Und wo diese Technologien nicht reguliert wurden, ist nichts davon passiert. Was passiert ist, ist, dass sich genmanipulierte Pflanzen durchgesetzt haben, die mehr Gift aushalten, und die Pestizideinsätze explodiert sind.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! – Gegenruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist es leider Gottes!)

Das ist einfach so; das ist Realität.

In Europa hat die Mehrheit entschieden, dass wir andere Wege gehen wollen. Diese Mehrheit hat sich durchgesetzt.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut so!)

Das ist Demokratie. Ich möchte mich an der Stelle bei allen bedanken, die sich damals gegen Gentechnik engagiert haben und dies jetzt wieder tun.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Max Straubinger.

(Beifall bei der CDU/CSU)