Rede von Harald Ebner Gentechnik

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19.11.2020

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP betreibt im Fahrwasser von Corona billige Polemik statt einer seriösen Debatte. Sie werfen Anwendungen der Gentechnik in geschlossenen Systemen im Agrarbereich und in der Medizin schmerzfrei in einen Topf. Das ist nicht sachgerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vorneweg: Die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 ist eine herausragende Leistung. Dass mindestens drei deutsche Unternehmen ganz vorne mit dabei sind, das zeigt, wie gut wir auf diesem Feld aufgestellt sind, ob in Rheinland-Pfalz oder in Baden-Württemberg. Aber wir müssen die Debatten auseinanderhalten. Während bei der Herstellung von Insulin oder den genannten Impfstoffen Gentechnik in geschlossenen Systemen angewandt wird, geht es im Bereich der Agrogentechnik um etwas völlig anderes, nämlich um deren Freisetzung: um Freisetzung von vermehrungsfähigen gentechnisch veränderten Lebewesen in unsere Ökosysteme. Das ist ein grundlegender Unterschied.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber Sie suggerieren den Menschen, das wäre vergleichbar. Das ist es aber nicht.

Impfstoffe durchlaufen umfassende Risikoprüfungen, selbst in verkürzten Verfahren. Sicherheit und Verträglichkeit haben dabei Vorrang, und das ist gut so. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sind Sie dann gegen eine Risikoprüfung bei der Freisetzung von lebendigen, vermehrungsfähigen Organismen? Das ist doch scheinheilig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Widerspruch der Abg. Carina Konrad [FDP])

Sie wollen das europäische Vorsorgeprinzip aushebeln und ihm ein Innovationsprinzip zur Seite stellen.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Genau!)

Aber „ein bisschen Vorsorgeprinzip“ geht genauso wenig wie „ein bisschen schwanger“. Wer, wie die FDP, meint, die Risiken schon vor ihrer Prüfung zu kennen, der setzt fahrlässig die Gesundheit von Umwelt und Mensch aufs Spiel.

Die Menschen da draußen verstehen den Unterschied. Mehr als 80 Prozent von ihnen wollen Gentechnik weder auf dem Acker noch auf dem Teller. Wir respektieren das im Gegensatz zu Ihnen; denn wir haben nicht zu bewerten, warum die Menschen keine Gentechnik wollen. Wir haben ihre Wahlfreiheit zu sichern und das Vorsorgeprinzip zu respektieren, und wir werden das tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Ebner, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung von Dr. Höcke?

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Höcke nicht! Das geht zu weit!)

Dr. Gero Clemens Hocker (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Ebner, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen und dass Sie eben noch mal die grüne Position zu diesem Themenbereich sehr eindringlich skizziert haben.

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich war doch noch gar nicht fertig.

Dr. Gero Clemens Hocker (FDP):

Ich möchte Sie gerne mit einem Zitat Ihrer Parteifreundin aus Baden-Württemberg, von Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft und Forschung in Baden-Württemberg, konfrontieren. Frau Bauer lässt sich mit den Worten zitieren:

Grünen und Umweltaktivisten wurde … vorgeworfen, dass Kritik an neuen gentechnischen Verfahren nicht sachlich sei. Nicht … zu Unrecht, meine ich. In der Debatte werden Fakten nicht … anerkannt. Die Grünen sollten den Stand der Wissenschaft anerkennen. Und … Gentechnik eine Chance geben.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Stephan Protschka [AfD])

Ich möchte von Ihnen gerne wissen, ob Sie sich der Meinung Ihrer Parteifreundin aus Baden-Württemberg anschließen oder ob sie nach Ihrer Meinung unrecht hat.

(Beifall bei der FDP – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Sie haben es noch nicht verstanden, Herr Hocker! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nicht zugehört!)

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Kollege Hocker, genau diesen Unterschied, den ich Ihnen gerade zu erläutern versuche, haben Sie in der Hinsicht noch nicht verstanden, indem Sie an der Stelle die Debatte wieder darauf verengen, ob jemand etwas ablehnt oder verbietet oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Widerspruch bei der FDP)

Es geht darum, dass wir die Wahlfreiheit der Menschen respektieren, gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel zu kaufen oder nicht. Wir wollen, dass die Menschen das am Regal entscheiden können. Das können sie nur, wenn eine Kennzeichnung erfolgt. Und diese Kennzeichnung, die verpflichtende Kennzeichnung,

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Das war nicht die Frage! Antworten Sie auf die Frage! – Weitere Zurufe von der FDP)

bekommen wir nur, Herr Kollege – wie ich auf die Frage antworte, ist im Übrigen meine Sache und nicht Ihre –,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wenn wir ordentliche Zulassungsverfahren beibehalten.

Das ist genau das, was Sie jetzt aushebeln wollen; das ist das, was Sie abschaffen wollen. Sie wollen den Menschen ihre Wahlfreiheit nehmen, und das machen weder ich noch die Kollegin Bauer mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])

Ich habe es schon gesagt: Sie wollen genau an der Stelle deregulieren.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Nein, das machen Sie!)

Sie wollen den Menschen ihr Recht auf Wahlfreiheit nehmen, wenn Sie Pflanzen aus neuer Gentechnik aus den Zulassungsverfahren und damit aus der Kennzeichnung nehmen. Es muss auch künftig draufstehen, was drin ist.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Merken Sie gar nicht, wie Sie sich gerade blamieren, Herr Kollege?)

Deshalb stehen wir auch voll und ganz hinter dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018, das besagt: Auch neue Gentechnik ist Gentechnik, und sie muss genauso reguliert werden.

Unser Antrag zeigt auf, was dazu notwendig ist. Wir wollen den Gesetzesvollzug durch Entwicklung geeigneter Nachweisverfahren, Förderung der Risikoforschung und Führen europäischer Register gewährleisten. Nur so kann gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft auch künftig gentechnikfrei bleiben. Es gilt, mehr öffentliche Gelder in die Stärkung und Weiterentwicklung klassischer Pflanzenzüchtung und Entwicklung besserer agrarökologischer Anbausysteme weltweit zu stecken. So stellen wir uns den Herausforderungen der Klimakrise, statt auf eine Wundertechnologie zu hoffen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Zuerst mal Entschuldigung, Herr Hocker, ich hatte es phonetisch nicht richtig verstanden, als mir Ihre Meldung übergeben wurde. Ich wollte Ihren Namen nicht in irgendeiner Weise falsch aussprechen.

Ansonsten: Ich habe die zweite Zwischenfrage nicht zugelassen, weil Herr Ebner erkennbar am Ende seiner Redezeit war. Da müssen Sie sich das nächste Mal bitte etwas früher bemerkbar machen.

(Widerspruch bei der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Weitermachen!)

Das Wort hat die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es wieder sachlich!)