Rede von Karl Bär Gentechnik in der Produktion

23.06.2022

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Patentantrag EP 2943060 wollte sich eine Firma aus Minnesota beim Europäischen Patentamt genetisch hornlose Rinder patentieren lassen. Genetisch hornlose Rinder sind seit der Römerzeit beschrieben. Auch Bäuerinnen und Bauern in meiner Region züchten zum Beispiel genetisch hornloses Fleckvieh, erzeugen so einen Mehrwert für die Haltung im Laufstall und verdienen damit Geld. Die Firma hatte diese natürliche Mutation mithilfe einer neuen Gentechnikmethode nachgebaut und als Erfindung angemeldet. Sie können das „Innovation“ nennen; ich nenne es „Diebstahl“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Patent wurde glücklicherweise nicht erteilt. Wissenschaftler/-innen der US-Umweltbehörde hatten bemerkt, dass die ach so präzise Methode Gene eines Bakteriums mit ins Erbgut der Rinder eingefügt hatte. Weil solche Fehler passieren können und weil sie tatsächlich auch passieren, brauchen wir auch bei den neuen Gentechnikmethoden für jedes einzelne Produkt ein Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss an der Stelle betonen – und da liegt auch der Koalitionsvertrag in Mecklenburg-Vorpommern einfach daneben –, dass Gentechnik in Europa nicht verboten ist. Die Erfinderin der CRISPR/Cas-Technologie, Emmanuelle Charpentier, hätte nach ihrem Nobelpreis überall einen Job bekommen können. Sie hat sich für die Humboldt-Universität in Berlin entschieden. Wir haben hier kein Problem mit Innovationen, aber bevor genmanipulierte Pflanzen oder Tiere freigesetzt oder verspeist werden, müssen sie geprüft, zugelassen und gekennzeichnet werden. Das ist gut so, und das muss so bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen auch bei der neuen Gentechnik eine Kennzeichnungspflicht. Die Menschen in Europa wollen wissen, ob ihr Essen mit Gentechnik hergestellt wurde oder nicht. Und wenn das Essen mit Gentechnik hergestellt wurde, dann wollen sie es meistens nicht essen. Das ist ihr gutes Recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daran stört sich die Gentechindustrie, weil das dazu führt, dass niemand ihre Produkte kaufen will.

CDU und CSU wollen nun, dass Produkte, die eindeutig gentechnisch veränderte Organismen sind, nicht mehr unter das Gentechnikrecht fallen und damit ohne Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht auf unsere Teller kommen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das ist doch völliger Unsinn!)

Sie stellen sich auf die Seite der Agrarindustrie und gegen 80 Prozent der Verbraucher/-innen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das mit diesem Antrag so offen sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Völliger Unsinn!)

– Das steht da so.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Lesen Sie doch mal, was da im Antrag steht!)

Sie wollen diese Produkte vom Gentechnikrecht ausnehmen.

Die Einleitung des Antrags ist eine Themaverfehlung.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Die Rede ist eine Themaverfehlung!)

Wir müssen – da sind wir zusammen – die Landwirtschaft an die Klimaveränderung anpassen, Emissionen senken und das Artensterben aufhalten. Das heißt, wenn wir auch in 30 Jahren noch Ernten haben wollen, von denen wir satt werden, müssen wir das ganze landwirtschaftliche Produktionssystem verändern.

Sie haben jetzt 16 Jahre lang die Agrarwende blockiert. Sie bekämpfen den Vorschlag von Umweltministerin Lemke, das Verheizen von Lebensmitteln als Treibstoff zu beenden. Und Sie weigern sich beharrlich, den Elefanten im Raum wahrzunehmen, auf dem in Leuchtschrift „Fleischproduktion“ steht. Dann erwecken Sie hier den Eindruck, dass all diese Krisen – Klimawandel, Artensterben, Welthunger – durch Änderungen im Genom von Kulturpflanzen gelöst werden können. Das ist völlig absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das hat auch gar keiner behauptet!)

Vielleicht ist das auch der letzte Rest Christentum in der CSU und CDU. Sie hoffen auf Wunder. Ich sehe darin allerdings eher einen gefährlichen Versuch, von drängenden Problemen abzulenken und nötige Veränderungen zu blockieren.

Die Ampelregierung packt jetzt die Agrarwende an: Umbau der Tierhaltung, Ernährungsstrategie, Glyphosatverbot, Ökolandbau, Digitalisierung. You name it, we do it.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Alles angekündigt, aber noch nichts umgesetzt!)

– Das ist alles nicht einfach. Das dauert seine Zeit. Aber es ist notwendig.

Cem Özdemir hat dafür die Unterstützung der Menschen im Land.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die Fraktion Die Linke hat nun Ina Latendorf das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)