Rede von Sylvia Kotting-Uhl Geologische Daten

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23.04.2020

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Standortauswahlgesetz haben wir in einem breiten Konsens von Bundesländern und Fraktionen im Bundestag beschlossen. Uns leiteten Kompromiss und Konsens, weil wir wussten, dass ein politischer Konsens unverzichtbar ist als Voraussetzung für den gesellschaftlichen Konsens, den wir brauchen, um die Endlagerung hochradioaktiven Mülls angehen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wussten um die Wichtigkeit absoluter Transparenz, um Bürgerinnen und Bürger für die Auswahl gewinnen zu können. Wissenschaftsbasiertheit, Transparenz und Partizipation wurden so zu den Schlüsselbegriffen des Gesetzes.

Ihr Gesetzentwurf zur Veröffentlichung geologischer Daten, also Daten, die über die Auswahl von Standorten in der Endlagersuche entscheiden, genügt dem nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie ignorieren einfachste Logiken. Entscheidungserhebliche Daten sind für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger eben nicht nur die Daten, die sie in der Endlagersuche lassen, sondern auch die Daten, die dazu führen, dass andere Regionen herausgenommen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und der Datenraum, Herr Gremmels, war vom Nationalen Begleitgremium nicht für den jetzt vorgesehenen Aufgabenwust vorgeschlagen.

Ich will Ihnen noch mal ein paar Stimmen aus der Anhörung im Wirtschaftsausschuss in Erinnerung bringen. Steffen Kanitz, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung: Natürlich ist es von erheblicher Relevanz, dass Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wie wir eigentlich zu Teilgebieten gekommen sind und ob das richtig ist, wie wir vorgegangen sind. – Oder Klaus Töpfer: Wir müssen dahin kommen, dass Entscheidungen möglichst breit verstanden werden. – Beide übrigens Mitglieder Ihrer Partei, Herr Möring, Herr Bareiß. – Und der Verfassungsrechtler Professor Wieland: Hier ist das Interesse der Allgemeinheit vorrangig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Marcel Klinge [FDP]: Interessante Auswahl!)

Es geht im Kern um die Auslegung von Artikel 14 Grundgesetz, der das Eigentum des Einzelnen schützt, aber eben nicht unbeschränkt. Absatz 1 Satz 2 besagt: Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch den Gesetzgeber bestimmt. – Er verfügt hier über politische Gestaltungsfreiheit.

(Timon Gremmels [SPD]: Es darf aber nicht entkernt werden!)

Und beim Abwägen zwischen Privatinteressen und öffentlichem Interesse gewinnt keineswegs immer das Privatinteresse. Es gewinnt nicht beim Straßenbau, nicht bei Flughäfen; in der Finanzkrise wurde die Enteignung von Finanzinstituten zulässig. Und wer zählt die Menschen, die wegen des Kohleabbaus umgesiedelt wurden, ob sie wollten oder nicht?

Und jetzt, angesichts einer Aufgabe mit höchstem gesellschaftlichem Spaltungspotenzial, lassen Sie sich von Wirtschaftslobbyisten den Schneid abkaufen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich!)

Für die Anhörung luden Sie als Gegenpart zum Verfassungsrechtler Wieland den Verwaltungsrechtler Rossi ein, der in gleicher Sache ein Rechtsgutachten für den BDI und die Erdöl-, Bergbau- und Kaliwirtschaft erstellt hatte.

(Bernhard Loos [CDU/CSU]: Gar nicht wahr!)

Den Blick dieser Wirtschaftsverbände haben Sie sich weitgehend zu eigen gemacht. Eigene Kontrolle wird den Bürgerinnen und Bürgern nicht ermöglicht. Ihr Gesetzentwurf liefert nicht, was das Standortauswahlgesetz verlangt. Ebenso fatal: Sie missachten den Wert des Konsenses von Parteien und Ländern und verlassen damit den Pfad breit getragener Entscheidungen bei der Endlagersuche.

Möglicherweise hält nun der Bundesrat das Gesetz auf. Ansonsten obliegt das Gelingen einer vergleichenden, ergebnisoffenen Endlagersuche dann dem Betreiber, der Behörde, dem Nationalen Begleitgremium und der Zivilgesellschaft, wenn Politik an dieser Stelle versagt hat.

(Timon Gremmels [SPD]: Quatsch!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es ist zu hoffen, dass der Geist der Endlagerkommission und des Standortauswahlgesetzes dort präsenter bleibt als hier bei der Koalition und in den Ministerien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Bernhard Loos für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)