Dr. Paula Piechotta MdB
01.02.2024

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wiehle, wir wollen, dass das Geld im Gesundheitsetat genauso wie im GKV-System bei den Menschen ankommt. Aber auf Ihre Zustimmung können wir verzichten; vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Stefan Keuter [AfD]: Dieser Hochmut vergeht Ihnen noch!)

Ich wollte an allererster Stelle – der erste Redner in dieser Debatte war ja Helge Braun; und die Beratungen zum Gesundheitsetat sind ja traditionell von einer großen Kollegialität geprägt – sagen: Vielen herzlichen Dank für die Zusammenarbeit an Svenja Stadler, an Karsten Klein, aber auch an Helge Braun! Ich kann Ihnen sogar in fast allen Punkten von vorhin zustimmen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ui! Mensch!)

Ich kann jetzt aus diversen Gründen nicht sagen, in welchen einzelnen Punkten vielleicht nicht.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Aber das, was ich ein bisschen vermisst habe, sind die Lösungsansätze. Ich glaube, wenn wir alle ehrlich miteinander sind, wenn wir uns anschauen, vor welch großen Aufgaben die Sozialversicherungen in Deutschland in diesem Land stehen, das nicht nur älter wird, sondern auch immer mehr Einwohner hat, und insbesondere sehen, vor welchen enormen Herausforderungen die GKV und die Pflegeversicherung stehen, die all die Leistungen, die wir für die Versicherten heute bereitstellen, weiter absichern müssen, dann haben wir als demokratische Parteien, glaube ich, beim Schreiben unserer Wahlprogramme für die nächste Bundestagswahl alle noch große Hausaufgaben vor uns.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Dr. Christina Baum [AfD]: Sie gehören nicht dazu! Zu den demokratischen Parteien!)

Lieber Helge Braun, Sie sind ja nicht nur Mitberichterstatter für den Gesundheitsetat, sondern auch der Vorsitzende unseres Haushaltsausschusses. Und Sie mussten auch wegen uns und unserer Fehler besonders lange, noch bis in dieses Jahr, unseren Sitzungen vorsitzen. Das haben Sie wirklich mit einer großen Kollegialität gemacht, aber auch mit einer großen zeitlichen Effizienz. Dafür auch von dieser Stelle noch einmal vielen herzlichen und großen Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Was ich spannend finde: Der Gesundheitshaushalt, wie er jetzt für 2024 vor uns liegt, wird – auch geändert durch die parlamentarischen Beratungen – bei 16,7 Milliarden Euro liegen. Aber selbst diese 16,7 Milliarden Euro sind weniger Geld, als wir in den letzten drei Jahren insgesamt allein für Coronatests ausgegeben haben. Das waren nämlich 17,8 Milliarden Euro nach aktuellem Stand.

Das Bundeskriminalamt geht inzwischen davon aus, dass wahrscheinlich über 1,2 Milliarden Euro davon allein in die Hände von Betrügerinnen und Betrügern gefallen sind. Sie kennen alle die besonders eklatanten Beispiele zu den Coronatestzentren wie in Köln, wo Betrüger 1,8 Millionen Tests abgerechnet haben, dafür 20 Millionen Euro kassiert haben. Und es gab nicht mal das Testzentrum, in dem diese nicht vorhandenen Tests hätten stattfinden sollen.

(Jörg Schneider [AfD]: Toll organisiert!)

In den letzten Wochen haben wir leider das nächste von vielen Beispielen mit Paxlovid erlebt, diesem Anticoronamedikament, das wir als Bund teuer beschafft haben. Eine einzelne Packung kostet einen dreistelligen Eurobetrag. Wir haben das Medikament kostenlos an die Apothekerinnen und Apotheker in diesem Land abgegeben, damit die es an Patientinnen und Patienten geben. Und wir haben jetzt bei über 20 Staatsanwaltschaften Ermittlungen und teilweise schon Anklagen laufen, da Apothekerinnen und Apotheker diese Medikamente schwarz an Dritte weiterverkauft haben.

Auch hier wieder ein besonders eklatantes Beispiel, diesmal von der Staatsanwaltschaft Baden-Baden: eine Apothekerin, die 1 393 Packungen Paxlovid weiterverkauft hat. Wir gehen von einem Schaden von 900 000 Euro allein in diesem Fall aus.

Meine Damen und Herren, ja, man muss die Coronajahre aufarbeiten. Aber vielleicht gehört zur Aufarbeitung aus der Perspektive des Einzelplans 15 dann auch dazu, dass uns so was haushalterisch in einer Krise definitiv nicht noch mal passieren darf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Denn allein diese 1,2 Milliarden Euro, bei denen wir jetzt davon ausgehen, dass sie im Zuge der Coronatests an Betrügerinnen und Betrüger geflossen sind, würden in diesem Haushalt als Zuschuss an die gesetzliche Kranken- oder Pflegeversicherung einen riesengroßen Unterschied für Versicherte und Patientinnen und Patienten in diesem Land machen.

Ich habe es vorhin schon mal gesagt: Der Haushalt für 2024 im Bereich des BMG hat sich verändert. Der Regierungsentwurf sah 16,2 Milliarden Euro vor, jetzt sind wir bei 16,7 Milliarden Euro. Das liegt nicht daran, dass wir dem Gesundheitsetat noch mal besonders viel Geld zuführen konnten. Es liegt vor allen Dingen daran, dass viele Verbindlichkeiten der Bundesregierung im Entwurf noch nicht berücksichtigt waren, wenn es um die Beschaffung von Impfstoffen geht, wenn es darum geht, abzubilden, welche gerichtlichen Verfahrenskosten absehbar sind, insbesondere durch die Verfahren zu den Maskenbeschaffungen, die wir von der Vorgängerregierung geerbt haben.

Wir haben im parlamentarischen Verfahren nicht nur kritisiert, dass der Regierungsentwurf diese Lücken lässt, sondern wir haben saniert und haben damit die Haushaltsklarheit und -wahrheit wiederhergestellt. Ich hoffe, dass wir das im nächsten Regierungsentwurf nicht wieder machen müssen, sondern dass das von Anfang an von der Regierungsseite so passiert.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbst mir fällt es schwer, die ganzen Erhöhungen, die wir als Berichterstatter im Einzelplan vorgenommen haben, zu benennen. Diese waren ja vor allen Dingen möglich, weil ein Teil der Pandemiebereitschaftsverträge weggefallen ist und uns dadurch sehr viel Umschichtungspotenzial zur Verfügung stand. Und weil das schon eine ganze Weile her ist, möchte ich Ihnen das noch mal nennen – Svenja Stadler hat das ja teilweise schon angerissen –: Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Haushaltsausschuss haben unter anderen im Bereich des Nationalen Präventionsplans, im Bereich der Aufklärung zur Organspende und im Bereich der Drogenprävention insgesamt fast 10 Millionen Euro aufgestockt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben die Deutsche Aidshilfe besser ausgestattet. Wir haben auch dafür gesorgt, dass Projekte zur Entwicklung modellhafter digitaler Maßnahmen zur Sprachmittlung, insbesondere auch mit ausländischen Patienten, deutlich besser gefördert werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dirk-Ulrich Mende [SPD])

Wir haben zum ersten Mal Aufklärungsmaßnahmen im Bereich Sepsis finanziert. Wir stärken das Kinderformularium. Wir stärken auch die wirklich eng mit finanziellen Mitteln ausgestatteten Institute Paul-Ehrlich-Institut, Robert-Koch-Institut und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Auch das sind parlamentarische Initiativen, wo wir den Regierungsentwurf deutlich verbessert haben.

Wir stärken die Long-Covid-Forschung – auch an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank, Svenja Stadler – und, wie Helge Braun es gerade angesprochen hat, neben dem World Health Summit auch den Global Health Hub, bei denen wir die Kürzungen im Regierungsentwurf fast vollständig zurücknehmen konnten, und noch vieles anderes mehr.

Vielen herzlichen Dank für diese guten Beratungen! Ich hoffe, dass wir gute, über die Regierungsfraktionen hinausgehende gemeinsame und tragfähige Lösungen für die zukünftige Finanzierung der Sozialversicherung finden. Denn das werden wir nicht allein aus dem Einzelplan 15 lösen können.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Karsten Klein hat das Wort für die FDP.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)