Linda Heitmann
07.09.2023

Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Fraktionen! Wir hatten in der sitzungsfreien Zeit ja alle eine gute Lektüre mit den verschiedenen Einzelplänen und den Zahlen darin. Ich habe die Zeit tatsächlich genutzt, um noch eine weitere Lektüre mit vielen Zahlen, Daten und Fakten zu lesen. Ich möchte heute ein bisschen darüber reden, was die eine Lektüre mit der anderen zu tun hat.

Die Lektüre, die ich in der Sommerpause nämlich gelesen habe, ist das „Jahrbuch Sucht 2023“ von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Das ist eine Institution, deren institutionelle Förderung wir in diesem Haushalt auch dringend sichern müssen; denn die Erstellung so eines Jahrbuches ist wichtig. Es ist eine wichtige Pflichtlektüre für eine wirklich evidenzbasierte Drogen- und Suchtpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dieses Jahrbuch verrät leider Erschreckendes. Es verrät, dass wir Deutschen – gemeint sind alle Deutschen ab 15 Jahren – im letzten Jahr im Durchschnitt über 10 Liter reinen Alkohol konsumiert haben, das heißt im Schnitt über 90 Liter Bier, über 20 Liter Wein, über 5 Liter Spirituosen und über 3 Liter Schaumwein pro Person. Das heißt de facto auch, dass in diesem Land über 3 Millionen Menschen ein gesundheitsschädliches Konsumverhalten in Bezug auf Alkohol an den Tag legen und circa 1,6 Millionen Menschen auch davon abhängig sind.

Auch die Zahlen zu Tabak und Glücksspiel in diesem Buch sind leider erschreckend. Über 11 Millionen Menschen in unserem Land rauchen regelmäßig, und die Umsätze auf dem legalen Glücksspielmarkt stiegen im letzten Jahr um 14,6 Prozent auf über 53 Milliarden Euro.

Was hat das alles mit unseren Haushaltsberatungen zu tun? Ich finde, ziemlich viel; denn dieses Konsumverhalten führte für uns als Staat auch zu 14 Milliarden Euro Einnahmen über die Tabaksteuer und 3 Milliarden Euro über die Alkoholsteuer. 700 Millionen Euro Umsatzsteuer haben wir allein über Glücksspielautomaten für diesen Haushalt eingenommen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der Union. Möchten Sie diese zulassen?

Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, danke. – Als Gesundheitspolitikerin muss ich sagen: Ich würde auf den Großteil dieses Geldes eigentlich gern verzichten, weil wir dann nämlich auch die kaum bezifferbaren Folgekosten im Gesundheitssystem nicht hätten, die sich aus diesem Konsumverhalten ergeben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich war kurz vor der Sommerpause auf einer Veranstaltung des Bundesdrogenbeauftragten. Da saßen auch verschiedene Unternehmen aus der Alkoholbranche auf dem Podium. Die Alkoholbranche hat im letzten Jahr rund 580 Millionen Euro in Werbung investiert. Rund 230 Millionen Euro hat sogar die Tabakindustrie in Werbung in Deutschland investiert, obwohl die Werbung hier schon weitgehend eingeschränkt ist.

Die Vertreterinnen und Vertreter auf diesem Podium konnten gar nicht verstehen, dass wir über Werbeeinschränkungen für Alkohol diskutieren. Sie sagten, ihre Werbung habe doch eigentlich überhaupt keine Auswirkungen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das zu behaupten, wenn man so viel Geld für die Werbung für Alkohol ausgibt, das kann ich wirklich nicht nachvollziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, haben Sie Ihre Meinung geändert, was die Zwischenfragemöglichkeit angeht?

Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, habe ich nicht. Ich möchte meinen Redefluss ungern unterbrechen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Nein? – Okay.

Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich möchte noch einmal sagen, was mir für diesen Haushalt wichtig ist. Wir müssen bei den Ausgaben für Prävention tatsächlich mindestens den Status quo halten. Was aber noch viel wichtiger ist: Prävention kostet nicht zwingend Geld. Wir haben es beim Thema Tabak beobachtet. Wenn man beispielsweise die Möglichkeit, Werbung zu machen, einschränkt, dann wirkt sich das unmittelbar auf das Konsumverhalten aus.

Deshalb lassen Sie uns beim Thema Alkohol hier ansetzen! Lassen Sie uns gucken: Wie kann man Werbung für Alkohol in Deutschland wirklich sinnvoll regulieren? Dann sparen wir nämlich in Zukunft Gesundheitskosten, und auch die Alkoholindustrie spart, nämlich die hohen Ausgaben für ihre Werbung.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist also eine Win-win-Situation. Packen wir es an!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Martin Sichert spricht jetzt für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)